10 September 2017 16:15 | Messe und Congress Centrum Halle Münsterland
Die Rede seiner Seligkeit Johannes X.
Eine Botschaft des Friedens und der Hoffnung
Mit ehrlicher Liebe, festem Glauben und stetiger Hoffnung überbringe ich Ihnen eine Botschaft des Friedens von der Kirche der Heiligen Apostel Petrus und Paulus in Antiochien, wo „die Jünger zuerst Christen genannt wurden“ (Apostelgeschichte 11: 26).
Unsere Länder sind von sinnlosen Konflikten gebeutelt, die unsere Gesellschaften auseinander reißen, während Gemütlichkeit und Gelassenheit gestört, sowie Bestrebungen der Menschen vernichtet werden. Diese Art von Gewalt hat unsere Region noch nicht erlebt, auch nicht in den sogenannten „Epochen der Dunkelheit“. Diese Kriege werden von fremden religiösen Extremisten vorangetrieben, die mit der Religion, die wir kennen, nichts zu tun haben. Sie sind Folge radikaler Auseinandersetzungen, ohne ein Minimum an Menschlichkeit, Bewusstheit und Gewissen zu haben.
Wer sind eigentlich die Verantwortlichen für die systematische Vertreibung der Bewohner aus unseren Dörfern und Städten? Gibt es jemanden, der mit den verwitweten Müttern Mitleid hat, sich um die zerstörten Wohnungen und Gebetshäuser oder um die Regionen kümmert, deren Bewohner, die seit dem Beginn der Geschichte dort leben, nun vertrieben sind? Gibt es jemanden, der für die Entführten, Gefangenen oder Verletzten sorgt? Oder wird das Elend der gefangenen Frauen, der Schwangeren, deren ungeborene Kinder im Leibe ihrer Mütter gewaltsam getötet wurden, und der Kinder, die zwangsweise als Soldaten rekrutiert werden, von der Welt ignoriert? Gibt es jemanden, der sich darum bemüht, die Angehörigen der Entführten zu trösten, die immer noch auf die Rückkehr ihrer von Zuhause fort gebliebenen Geliebten warten? Die Aussage in der Bibel: „Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen“ (Matthäus 2: 18; Jeremia 31: 15), kann man wahrhaftig auf uns in dieser Zeit beziehen.
Ich kann nicht nachvollziehen, wie die internationale Gemeinschaft die Angelegenheit der seit vier Jahren entführten Bischöfe Johannes Ibrahim und Paulus Yazigi sowie weiterer entführter Priester vergessen kann. Ich kann auch nicht verstehen, wie die Politiker dieser Welt untätig vor den gewalttätigen Vorkommnissen stehen, und nur den wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen, die nur im Dienst bestimmter unmenschlicher Sichtweisen stehen, Aufmerksamkeit schenken. Sie verstärken das Embargo auf das verhungernde Volk, aber öffnen ihm ihren Waffenmarkt weit. Hat die Erfahrung aus der Vergangenheit nicht bewiesen, dass sich die Takfiri-Gewalt nicht auf einen geographischen Ort einschränken lässt, und dass sie nicht nur die Völker im Osten und ihre Kirchen zum Ziel hat, sondern sie alle Ecken der Welt erreichen kann?
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Trotz diesem Leid, bemüht sich die Antiochenische Kirche, Dialog mit ihren christlichen und nichtchristlichen Schwestern und Brüdern zu führen, und Initiativen zu ergreifen, um dem Anderen zu begegnen und ihn mit der Liebe des Evangeliums und der Hoffnung, die „nicht zuschanden werden lässt“ (Römer 5: 5), zu beschenken. Unser Volk glaubt an den Frieden und sehnt sich nach ihm. Wir sind ein Volk, das sich im Laufe der Geschichte darum bemüht hat, Kriege und Waffen zu meiden. Denn das Volk bezeugt seit jeher, dass die Logik der gewalthaften Auseinandersetzungen nicht zur Bildung von Heimat, Demokratie und Freiheit führt, sondern zu Zerstörung, Verlust von Zusammenhalt, Vereinsamung und gegenseitigem Hass.
Die Christen des Ostens suchen nach jemandem, der ihre Rufe erhört, finden aber niemanden. Wir sind in unseren Ländern die Leute, die nach Frieden und Versöhnung rufen. Wir haben es schon einmal gesagt, und wir sagen es noch heute: Wir erbitten nicht das Mitleid der Mächte dieser Welt, sondern appellieren an sie und fordern sie dazu auf, nicht mehr vorzutäuschen, Christen empfangen zu wollen. Das Beste, was die Welt für uns im Osten tun kann, ist es, die Kultur des Dialogs zu fördern und die des Schwertes zu bekämpfen. Verhindern sie den Terrorismus, damit er unsere Länder nicht mehr erreichen kann. Unterbinden Sie die Waffenlieferungen und ziehen Sie die Schiffe aus unseren Häfen ab. Wir werden weder durch Kriegs- noch durch Migrationsschiffe geschützt. Wir werden vielmehr durch die Förderung des Friedens in unseren Regionen beschützt. Wir sind seit zweitausend Jahren hier im ganzen Osten verankert. Hier sind wir geboren, hier werden wir leben und hier werden wir sterben.
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Die Menschheit befindet sich heute in einer großen Ungewissheit. Sie benötigt unbedingt einen authentischen Dialog und eine wahre Begegnung, die dazu verhelfen, die Hindernisse der engsichtigen Politiken und deren Fehler zu überwinden. Die Menschheit benötigt außerdem einen politischen und menschlichen Ansatz, der auf Versöhnung und Konsens baut; einen Ansatz, der die versteinerten Ideologien und Vorurteile außen vor lässt, damit sich die Barrieren und Verhüllungen der Geschichte auflösen und sich deren Komplikationen aufheben. Die Stunde ist gekommen zu bekennen, dass eine scheinbare Annäherung der Politik und des Dialogs, die viele Menschen verfolgen, in einem verdursteten Land nur zum Stillstand der Bemühungen führen kann. Als Folge wird das Land von opportunistischen, materiellen Werten und falschen Prototypen, die sich auf die Gesellschaften auferlegen wollen, durchstürmt.
Wir müssen gegen die sinnlose Ausnutzung von Religion, und deren Gebrauch im Dienst der Politik, so wie wir es in der heutigen Zeit erleben, standhalten. Von dieser Tribüne aus lade ich die religiösen Führer aller Religionen und Konfessionen aus allen Ländern dazu ein, das Leitwort „Glaube für den Frieden“ zu übernehmen. So werden wir zu Friedensbotschaftern, die mit einer deutlichen Stimme in der Welt, die sich heute in großer Not befindet und sich nach einer Botschaft des Friedens sehnt, auftreten.
Wir sind heute zur Begegnung und Solidarität eingeladen, damit wir der Welt ein wahres Vorbild für den Frieden in Beziehungen zu einander, Lebensentwürfen und Umgangsweisen miteinander bieten können. Davon ausgehend können wir den Menschen Frieden schenken und gleichzeitig den wahren Frieden, der im Herzen der Menschen verankert ist, bezeugen. Dieser Frieden allein ist in der Lage, die Wunden der Geschichte und die der Beziehungen zwischen Menschen zu heilen.
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Das, was unsere Völker zusammenhält, trotz der Verschiedenheit ihrer religiösen, kultivierten und kulturellen Hintergründe, ist stärker als das, was unsere Völker teilt. In unserem Osten haben wir seit jeher die Erfahrung der Bedeutung des Zusammenlebens mit Schwestern und Brüdern aus verschiedensten Religionen und Kulturen gemacht. Wir haben auch in Erfahrung gebracht, dass die Vielfalt der Völker einen lebendigen Ort für menschliche Bereicherung, kulturelle Interaktion, Kreativität und geistige Innovation der Kunst und des Schönen bietet.
Wir müssen uns gemeinsam auf die Versöhnung hin bewegen. Außerdem müssen wir uns begegnen, um einen Dialog mit dem Anderen zu führen und ihn besser kennenzulernen. Nimmt jeder seine Verantwortung für den Zusammenhalt der Völker wahr? Bemühen wir uns, die Hindernisse der Geschichte zu überwinden und eine bessere Zukunft für unsere Kinder zu gewährleisten?
Zweifelsohne ist die Zeit gekommen, in der die Erfahrung des Leides unsere Völker einander näherbringt, anstatt sie auseinanderzutreiben. Der Menschheit werden Möglichkeiten angeboten, die Prioritäten der politischen, gesellschaftlichen und religiösen Arbeit in unserer heutigen Zeit neu zu gestalten. Wir müssen unbedingt zusammenarbeiten, um unsere Gesellschaften durch Versöhnung und Vergebung zu heilen.
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Abschließend möchte ich Ihnen, meinen Schwestern und Brüdern, versichern, dass wir in der Antiochenischen Kirche und dem ganzen Orient in großer Hoffnung leben, und vom Glauben daran getragen sind, dass Begegnung, Dialog und friedliches Zusammenleben aller Religionen, Gesellschaften und Kulturen die Basis für eine dauerhafte Versöhnung, und die Bildung eines wahrhaften Friedens zwischen den Völkern, bilden.