Sehr geehrte Damen und Herren,
Nachdem ich den Dank an St. Egidio, die Organisatoren dieser Konferenz, mit denen ich vor vier Jahren aus demselben Anlass in Kontakt kam, ausgerichtet habe, überbringe ich Ihnen einen Friedensgruß von den Herzen der Gläubigen der Antiochenischen Kirche.
An diesem Tag vor genau 16 Jahren, nämlich am 11. September 2001, wurden einige Personen irregeführt und haben deshalb den Verstand verloren. Sie entführten Flugzeuge mitsamt Passagieren und attackierten die Vereinigten Staaten von Amerika. Es war eine Art von Terrorismus, für die sich die gesamte Menschheit, unabhängig der Herkunft und Zugehörigkeit, schämte. Heute, nach diesen 16 Jahren, realisieren wir, dass das Monster des Terrorismus wieder überall vorzufinden ist und sich vielerorts versteckt hält. Wir, die von verschiedenen sozialen und religiösen Zusammenhängen kommen, versammeln uns heute an diesem Ort, um im gleichen Zeitraum der vorhin genannten Geschehnisse zu bestätigen, dass wir uns nach Frieden sehnen. Damals dachten diejenigen, die mit den Flugzeugen die Wolkenkratzer attackierten, dass sie mit ihren Herzen an das Himmelstor anklopfen werden. Jedoch haben sie nicht damit gerechnet, dass sie mit diesem Verhalten in die Tiefen des Abgrunds stürzen, weil sie unschuldige Menschenleben, die Gott selber aus seiner Liebe und Herrlichkeit geschaffen hat, getötet haben.
Heute müssen wir leider feststellen, dass diese „Epidemie“ des Terrorismus in vielen Regionen verbreitet ist. Wir müssen realisieren, dass sowohl kleine und als auch große Länder entweder unter dem Terrorismus leiden oder davon profitieren. Menschen in verschiedenen Gesellschaften müssen folglich die Qual des Todes, der Vertreibung, der Gewalt und der Konsequenzen des Kriegs erleiden. All dies geschieht unter der Ausnutzung bestimmter Begrifflichkeiten, die mit der Realität nichts zu tun haben.
Es mag sein, dass der Patriarch von Antiochien pessimistisch in seinen Aussagen scheint. Die Worte meiner Rede verlassen meinen Mund mit einem traurigen Klang, damit sie die Wehklagen meiner geistlichen Kinder unter den schweren Umständen einigermaßen widerspiegeln können. Am Beginn des Jahres 2011 entstand der von einigen so genannte „Arabischer Frühling“. Ich bin hier um zu bestätigen, dass wir als Bewohner des Ostens, aber auch als Christen, in diesem Frühling nichts anderes als Blutvergießen gesehen haben, das Blut unserer Kinder, Älteren, Jugend und Märtyrer; das But, das die Blumen unseres Landes einfärbte. Diese Menschen mussten vom ersten Moment dieses Frühlings an die Qualen des Kriegs hinnehmen. Diese sind Gewalt, Vertreibung, Entführung, Tötung an den Meeresstränden, fundamentalistischer Terrorismus, Zerstörung der Kirchen, Attacken auf Zivilisten und der Sturz von Staaten und Regimen. All dies geschieht während die Welt scheinbar kein Interesse am Geschehenen hat, und entweder bewusst oder unbewusst die Augen zudrückt. All dieses Geschieht und die Welt ist entweder scheinbar erschöpft, oder sie duldet die Vorkommnisse, sie enthält mal das Proviant und stellt mal Waffen zur Verfügung, mal weint sie, oder sie vergisst falsche Tränen.
Die einzigartige Rolle der Kirche von Antiochien inmitten des verwundeten Ostens, den wir als unser Herzstück ansehen, besteht darin, dass sie eine Kommunikationsbrücke zwischen Ost und West bildet. Wir, die antiochenischen Christen, haben das Christentum aus dem Munde der Apostel unmittelbar erhalten. Wir wurden als Erste im Namen Christi getauft, und von Antiochien aus haben wir unzählige Menschen in unserer Nachbarschaft getauft. Wir haben Christus in uns aufgenommen und ihn in unseren Herzen bewahrt. Dies geschah nicht durch Gruppenbewegungen oder Philosophien, sondern anhand der Willenskraft, Altertümlichkeit und historischen Authentizität. Wir haben das Christentum übernommen ehe es zur Staatsreligion geworden ist. Uns wurde unser Glaube unmittelbar von unseren Eltern beigebracht als wir noch in unseren Windeln gewickelt waren. Auf diese Weise bleibt unsere christliche Existenz im Osten immer gefestigt. Wir haben sie mit einem Land verbunden, das wir geliebt haben und weiterhin unheimlich leidenschaftlich lieben. Als antiochenische Christen haben wir dann Arabisch als unsere Sprache übernommen. An dem Ort, an dem wir uns befinden, war Arabisch die beste Möglichkeit, die arabische Zivilisation, den Islam und unsere muslimischen Schwestern und Brüder richtig zu verstehen. Als Folge dieser Realität wird die Kirche von Antiochien allgemein als eine Begegnungs- und Kommunikationsbrücke zwischen Ost und West, zwischen Europa und Asien, zwischen Christentum und Islam sowie zwischen Christentum und allen anderen Religionen angesehen. Die Kirche von Antiochien ist auch die erste Zeugin einer wahrhaften Brüderlichkeit zwischen allen Menschengruppen trotz aller Hoch- und Tiefpunkte der Geschichte, die der kulturreiche Osten erleben musste. Das ist eine einzigartige Rolle die ihr und der christlichen Existenz im Nahen Osten zugeschrieben wird. Wir wollen die Welt heute darauf aufmerksam machen, dass unsere Kirche am Terrorismus zu verbluten droht. Dieser Terrorismus durchstürmte den Nahen Osten und verursachte Vernichtung und Vertreibung von Christen und Nichtchristen. Trotz der Gewalt und der Qualen, die wir erleiden müssen, können diese keinen von uns aus unserem Land vertreiben, weil dieses Land mit unseren Herzen und unserem ganzen Dasein vereint ist.
Ich bin hier, um die Klagen meines Volkes an meine Zuhörer aus allen Enden der Welt, besonders aus Europa, weiterzugeben. Ich möchte von hier aus mit ihnen, meinen Lieben, eine wahrhafte und ehrliche Einladung für den Frieden aussprechen; eine Einladung, die die Politiker und Mächtigen dieser Welt erreichen soll. Syrien ist des Kriegs mehr als überdrüssig. Dieser Krieg muss ein Ende haben. Es reicht auch, dass viele unser Anliegen zu ignorieren scheinen, und mit diversen Medien falsche Informationen verbreiten, die die Menschen in die Irre führen.
Ich bin hier, um allen ihre Verantwortung bewusst zu machen, besonders der europäischen Bevölkerung mit christlichen Wurzeln, und möchte nur einen winzigen Teil des Leidens der Christen im Osten, aber auch das ihrer Schwestern und Brüder aus allen Ethnien und Religionen, die während dieser Zeit getötet oder vertrieben wurden, vermitteln. Dieser winzige Teil umfasst auch die Angelegenheit der beiden Brüder in Christus, der Metropoliten von Aleppo, Johannes Ibrahim von der Syrisch Orthodoxen Kirche und Paulus Yazigi von der Antiochenischen Kirche, die vor vier Jahren entführt wurden und von denen wir bislang, inmitten eines internationalen verdächtigen Schweigens, keine konkreten Informationen über ihr Verbleiben haben.
Unser Appell heute gilt für den Frieden in Syrien und die Stabilität im Libanon und im ganzen Osten, aber auch in der ganzen Welt, die unter dem Terrorismus viel Leiden zu erdulden hat.
O Herr, gib uns den Geist deines wahren Friedens als Balsam für einen irdischen Frieden, um ihn wir uns bemühen und nach dem wir uns sehnen.