12 September 2017 19:00 | Marktpatz

Rede von Andrea Riccardi



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Andrea Riccardi

Historiker, Gründer der Gemeinschaft Sant'Egidio
 biografie
Liebe Freunde, 
 
hinter uns liegen Tage der Begegnung, der Diskussion und der Freundschaft in der warmherzigen Stadt Münster. Ich möchte dem Bischof von Münster für seine herzliche und zuvorkommende Gastfreundschaft danken. Gleichzeitig bin ich dem Bischof von Osnabrück dankbar, der uns heute hier empfängt und uns unterstützt hat. Ohne den Einsatz beider wäre es nicht möglich gewesen, dieses Internationale Friedenstreffen in Deutschland zu verwirklichen. 
 
In diesen Tagen haben wir viele schwierige Situationen in den Blick genommen – Armut, Gewalt, Konflikte bis hin zu wirklichen Kriegen.  Manche Situationen tragen das große Risiko in sich, in Konflikte auszuarten. Wir hatten Geschichten, Leid und Hoffnungen aus vielen Teilen der Welt vor Augen. Viele, zu viele Menschen leiden. Neue Wege des Friedens müssen gefunden werden. Auch die Umweltkrise und ihre Auswirkungen auf das Leben der Menschen haben wir nicht vergessen.
 
Manchmal entstand der Eindruck, dass es keine Lösungen gibt. Zumindest liegen sie nicht in unserer Hand. Was können wir tun? Was können normale Leute tun? Was können die Gläubigen tun? Was können die Religionsführer tun? Es gibt keine einfachen Antworten auf diese Fragen. Oft sagt man am Ende, dass wir wenig, vielleicht nichts, tun können. Man resigniert vor dem Leid der anderen und wird pessimistisch. Für jemanden, der nicht leidet, ist es leicht, pessimistisch zu sein. Man rechtfertigt sich und sagt, alles sei unmöglich. Man akzeptiert die Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid der anderen.
 
In diesen Tagen und besonders heute in Osnabrück haben wir für den Frieden gebetet und hatten viel Leid und Gewalt vor Augen. Das Gebet bezwingt die Grenze des Unmöglichen: Es wendet sich an den, der alles vermag. Das Gebet resigniert nicht. In ihm hallen das Leid und manchmal der Schrei derer wider, die im Krieg leben. Im Gebet, in der Tiefe unseres Glaubens, entdecken wir, dass der Friede nicht unmöglich ist, weil er ein Geschenk Gottes ist. Nie dürfen wir vor dem Krieg resignieren! Nie dürfen wir vor dem Leid der anderen resignieren! Der Friede muss immer möglich sein. Immer müssen wir ihn suchen. Er wird möglich sein! Deshalb entfachen die Religionen die Hoffnung auf Frieden, wie es auch am heutigen Tag geschieht. Sie bewegen die Gläubigen dazu, sich aus der Gleichgültigkeit zu befreien und Baumeister des Friedens zu sein. 
 
Es ist notwendig für uns, zusammenzukommen und gemeinsam als Gläubige zu handeln. Nie wieder die einen gegen die anderen, nie wieder einander ignorieren, sondern die einen neben den anderen. So sagte es Johannes Paul II. 1986 in Assisi. Nie dürfen die Religionen zum Anlass für Konflikt oder Hass werden. Die einen mit den anderen: damit der Friede in der Welt wachsen kann. Die Freundschaft unter den Religionen ist keine Rhetorik. Das haben wir erlebt. Wir haben gesehen, dass diese Freundschaft wirksam ist. Sie macht dieser globalisierten, oft seelenlosen Welt deutlich, dass alle Menschen und alle Völker durch ein gemeinsames Schicksal verbunden sind. Dieses gemeinsame Schicksal ist der Friede. 
 
Deshalb, liebe Freunde, akzeptieren wir nicht, dass Städte und Völker zur Beute von Krieg und Gewalt werden. Wir wollen mit der schwachen Kraft des Dialogs, aber voller Hoffnung, neue Wege des Friedens eröffnen: in diesem Europa, das zu sehr auf sich selbst konzentriert ist und die Welt nicht wahrnimmt, im Herzen unserer Religionen, dort, wo Völker sich bekämpfen, wo Gewalt herrscht, wo sich Hass zeigt. Die Religionen sind in ihrer Tiefe Wege des Friedens. Mögen sie mit der Hilfe aller Frauen und Männer guten Willens immer mehr und wo immer nötig Wege des Friedens eröffnen.