Exzellenz, Prof. Andrea Riccardi, ehrwürdige Vertreter und Eminenzen auf der Bühne, sehr geehrte Teilnehmer der verschiedenen Religionen und Länder, sehr geehrte Damen und Herren,
ich darf ihnen herzliche Grüße eines Vertreters des Hinduismus übermitteln, der aus dem Land von Buddha und von Mahatma Gandhi kommt. Ich vertrete ene Plattform mit den Namen “Forum für ein neues Südasien”, dessen Hauptzeil die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Indien, China und Pakistan ist.
Ich danke der Gemeinschaft Sant’Egidio für die Gelegenheit, Ihnen in dieser wunderschönen Stadt Bologna meine Gedanken vorzustellen.
Freunde, wie kann die Zeit, in der wir leben, beschrieben werden? Sicher leben wir nicht in der besten Epoche.
Doch wir leben auch nicht in der schlechtesten Epoche. Unsere Zeit wankt zwischen dem Guten und dem Bösen. Sie ist voller freudiger Dinge und Chancen, doch auch voller Krisen und unheilvoller Gefahren.
Betrachten wir zunächst die freudigen Aspekte. Unser Welt hat die Erfahrung einer langen Friedenszeit gemacht nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Zeit zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg dauerte nur zwei Jahrzehnte.
Jetzt sind schon über sieben Jahrzehnte vergangen, und es gibt keine Anzeichen für den Ausbruch eines Dritten Weltkriegs.
Trotz einiger lokaler Konflikte, einige sind auch schrecklich, ist unsere Welt weitgehend in Frieden geblieben – der eine nicht zu vernachlässigende Errungenschaft ist.
Mit dem Frieden ist auch seine süße Frucht gewachsen – der Wohlstand.
Die Welt hat Niveaus von Wohlstand und Fortschritt der Lebensbedingungen erlebt, wie nie zuvor in irgendeiner historischen Epoche, man hat sich das nicht einmal vorstellen können.
In meinem Land Indien sind 270 Millionen Arme aus der Armut befreit worden im Jahrzehnt von 2005 bis 2016 nach einer neuesten Untersuchung von UNDP, dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen.
Natürlich haben wir noch Armutssituationen und niedrige humane Entwicklungszahlen in Indien, die nicht hinzunehmen sind. Doch insgesamt haben sich die Lebensbedingungen vieler Inder verbessert.
Dasselbe gilt für viele andere Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas.
Ehrwürdige Gäste und Eminenzen,
warum also so große Aufregung (Unruhe) in der heutigen Welt? Warum diese große Unsicherheit, was die Zukunft betrifft? Warum spüren wir so deutlich, dass sich unser Welt nicht in einem guten Gesundheitszustand befindet, nicht in Harmonie und Glück? Es gibt drei wesentliche Gründe.
Diese drei Gründe zeigen uns, dass wir drei neue Arten von FRIEDENSBRÜCKEN errichten müssen, was auch das Thema der interreligösen Tagung in diesen Jahr ist.
Zunächst obwohl die Menschheit einen hohen Fortschritt erreicht hat – natürlich hat eine Minderheit einen größeren Teil der Torte im Vergleich zur Mehrheit – ist doch dieser Fortschritt wesentlich materiell.
Unsere allgemeine Entwicklung in kultureller, sozialer, psychologischer und spiritueller Hinsicht ist noch schwach entwickelt. Vielleicht hat die Menschheit in dieser Hinsicht sogar eine umgekehrte Entwicklung genommen.
Got hat den Mensschen ein einziges Geschenk gemacht – ein innerliches Universum, das ebenso unendlich ist, wie das äußerliche Universum.
Doch der Mensch der Moderne lebt zu sehr in der äußeren Welt, und zu wenig in seiner inneren Welt. Der Lärm der äußeren Welt hat fast seinen ganzen inneren Raum erfüllt und die Zeit und Energie für den Blick nach Innen, die Vorstellung, die Meditation, die Pflege und Entwicklung seiner selbst eingeschränkt.
Daher müssen wir wieder neu die vergessene Kunst erlernen, Friedensbrücken zu bauen nicht nur zwischen Gemeinschaften und Individuen, sondern auch zwischen dem innerlichen Leben und dem äußeren Menschen Frieden auf der Welt und den Frieden mit uns selbst.
Dann gibt es den zweiten Grund für den schlechten Gesundheitszustand unseres Planeten und seiner Bevölkerung. Ein Großteil unseres materiellen Wohlstands wurde auf Kosten der Umwelt erreicht. Als menschliche Art sind wir schuldig an okologischen Genezid von Zigtausenden anderen Arten – der Pflanzen und Tiere – für die unser Planet das eine Haus darstellt.
Mahatma Gandhi hatte gewarnt: “Die Erde produziert genug für die Bedürfnisse aller, aber nicht um die Gefräßigkeit eines jeden zu befriedigen.”
Indem Gandhi seine Philosophie der Gewaltlosigkeit auf die natürlich Welt ausweitete, sagte er: “es ist eine arrogante Aussage, dass Menschen die Herren und Beherrscher der niederen Geschöpfe sind. Im Gegenteil, wir müssen Vertrauenspersonen für das niedrigere Reich sein.”
Seine Heiligkeit, Papst Franziskus, hat diese Philosophie in seiner epochalen Enzyklika “Laudato sì” 2015 ausgearbeitet und ruft die globale Gemeinschaft dazu auf, die eigene Aufmerksamkeit auf das dringende Thema der “Rettung unseres gemeinsamen Hauses und der Zukunft des Lebens auf der Erde” zu lenken.
Mit anderen Worten müssen wir FRIEDENSBRÜCKEN bauen, damit die Welt von einer industriellen Zivilisation zu einer ökologischen Zivilisation wird.
Die modernen technologischen Fortschritte in den Bereichen Energie, Materialien, Produktion und Transport können uns helfen, diesen Übergang durchzuführen, wenn sie weise eingesetzt werden.
Der dritte Grund, der den Konflikt, die Zwietracht und Unzufriedenheit auf der Welt erklärt, ist der Götze und die Gefahr der Nationalstaaten. Das moderne Konzept von Nationalstaat hat künstlich spaltende Mauern errichtet, die Gemeinschaften und menschliche Kulturen voneinander trennen – und sogar ungesunde Konkurrenz und Rivalität zusammen mit einem teuren Waffenwettlauf untereinander geschaffen haben.
Ein extremes Beispiel ist die endloser Feindseligkeit zwischen Indien und Pakistan. Natürlich überleben die Nationalstaaten für eine gewisse Zeit. Kein Dekret kann sie abschaffen. Doch müssen wir erkennen, dass die Nationalstaaten, wie sie heute existieren, und das Konzept der täglich aufgezwungenen nationalen Herrschaft anachronistisch sind im Vergleich zur Tendenz der zunehmenden und unumkehrbaren Globalisierung.
Technologie, Handeln und Reisen haben unsere Welt zu einem kleinen Dorf gemacht, alles ist miteinander verbunden und voneinander abhänig wie nie zuvor.
Vor tausend Jahren haben die Veden, die alte heilige Schrift des Hinduismus, verkündet: “Vasudhaiva Kutumbakam”. Dieses Wort auf Sanskrit bedeutet “die ganze Welt ist eine einzige Familie”.
Diese Sichtweise wird langsam Wirklichkeit. Doch wir müssen den Prozess beschleunigen. Wenn wir die Welt als eine große einzige Familie betrachten, darf es keinen Platz für Militarismus, Hegemonie, Massenvernichtungswaffen oder Aufbeutung eines Teils der Familie durch einen anderen Teil geben.
Das Leid eines Teils muss zum Leid des gesamten politischen Leibes werden, und die Reichtümer einiger dürfen nicht auf Kosten der anderen gehen.
Daher haben wir es nötig, neue Friedensbrücken zu bauen, damit die Menschheit von konfliktgeladenen Nationalismus zu einer neuen Ära des kooperativen Intenationalismus übergeht. Wir haben die einzigartige Kraft es Dialogs bei der Konfliktlösung und dem Peacemaking vor kurzem bei der Versöhnung zwischen Nord- und Südkorea erlebt.
Freunde,
wenn der Geist der globalen Einheit gestärkt wird, bedeutet dies nicht, dass die Unterschiede unserer verschiedenen – religiösen, kulturellen, ethnischen, sprachlichen – Identitäten beseitigt werden müssen. Auf keinen Fall.
Die menschliche Verschiedenheit ist Bestandteil des Planes Gottes für unseren Planeten wie auch die Verschiedenheit der Natur.
Beide Typen von Verschiedenheit – menschliche und natürliche – müssen bewahrt, respektiert und gefeiert werden.
Doch dürfen wir nie vergessen, dass die Verschiedenheit nicht ohne wesentliche Einheit bestehen kann. Wenn Nationen, Religionen und Kulturen sich für einen Dialog und eine Zusammenarbeit einsetzen, im gegenseitigen Respekt und Vorteil, im Bewusstsein ihrer wesentlichen und unzerstörbaren Einheit als Menschheitsfamilie, sind die vorhersehbaren Früchte: Friede, Gerechtigkeit, nachhaltige Entwicklung, Harmonie und Glück für alle.
Diese Tagung ruft uns auf, treue Bauleute dieser neuen Friedensbrücken zu werden.
Vielen Dank.