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Matteo Zuppi

Kardinal, Erzbischof von Bologna und Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz
 biografie

So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken. 

Denn wie der Regen und der Schnee vom Himmel fällt und nicht dorthin zurückkehrt, ohne die Erde zu tränken und sie zum Keimen und Sprossen zu bringen, dass sie dem Sämann Samen gibt und Brot zum Essen, 
so ist es auch mit dem Wort, das meinen Mund verlässt: Es kehrt nicht leer zu mir zurück, ohne zu bewirken, was ich will, und das zu erreichen, wozu ich es ausgesandt habe.
In Freude werdet ihr ausziehen und in Frieden heimgebracht werden. Berge und Hügel brechen vor euch in Jubel aus und alle Bäume auf dem Feld klatschen in die Hände.
Statt Dornen wachsen Zypressen, statt Brennnesseln Myrten. Das geschieht zum Ruhm des HERRN zum ewigen Zeichen, das niemals getilgt wird.
 
Jesaja 55,9-13
 
Der Prophet erinnert uns an eine Realität, die wir oft vergessen: die Wege und Gedanken Gottes überragen uns. Wenn wir das vergessen, erheben wir uns in Hochmut und fühlen uns im Rechts, uns anderen aufzudrängen, wir denken am Ende, dass unsere Gedanken die einzigen seien. Wir müssen uns immer wieder mit den Gedanken Gottes auseinandersetzen, um unsere zu finden. Wir müssen seine Wege suchen, um nicht in unseren Labyrinthen gefangen zu bleiben oder uns in Verwirrung der Welt zu verlieren, die voller Täuschungen und Unsicherheiten ist. Jesus lässt uns die Gedanken Gottes kennen lernen. Er, das Wort, macht sie zu Fleisch, Gegenwart, Geschichte in unserer Geschichte. Jesus ist der Gedanke Gottes, der Wille von Liebe und Frieden zu jedem Menschen, von dem er sogar die Haare auf dem Kopf zählt. Jesus ist der Weg, auf dem die müden und erschöpften Schafe geführt werden, denn es ist ein Wille, dass keines von ihnen verloren geht. Mit Jesus werden die Gedanken und Wege Gottes zu unseren, sie werden uns sogar anvertraut. Sie sind immer größer als unser Herz und somit auch als unsere Sünde und erinnern uns daran, dass auch wir dazu berufen sind, Gedanke Gottes für die Menschen zu sein. Jesus möchte in der Tat, dass wir heilig sind, nicht, weil wir perfekt sind, sondern weil wir ihm folgen. Menschen, die mit ihrer Menschlichkeit seine Liebe wiederspiegeln. Wir können nicht stehen bleiben. Der Weg öffnet sich vor uns, sobald wir anfangen, ihm nachzugehen. Nur, wenn wir ihm folgen, können wir verstehen, wo er wohnt, und nur, wenn wir das wenige Brot teilen, das wir haben, vermehrt sich dieses. Jeder auf seinem Weg. „Was zählt ist, dass ein jeder Gläubige seinen Weg erkennt und das Beste in sich hervorkommen lässt, was Gott in ihn gelegt hat.“ Das begeistert jeden, sich ganz hinzugeben. Papst Franziskus lädt in Gaudete et Exsultate ein zu erkennen, welches Wort der Herr durch jeden von uns sagen will: „Hoffentlich kannst du erkennen, was dieses Wort ist, diese Botschaft Jesu, die Gott der Welt mit deinem Leben sagen will. Lass dich verwandeln, lass dich vom Geist erneuern, damit dies möglich wird und damit deine wertvolle Sendung nicht scheitert.“ Wir sind dazu berufen heilig zu sein, nicht, weil wir perfekt sind. Es ist eine pharisäische Versuchung, die Kirche nicht auch in ihrer Sünde zu lieben. Wir müssen sie besser machen mit unserer persönlichen Heiligkeit, ein Geschenk Gottes. Sie ist nur perfekt, wenn sie voll von seiner Liebe ist, und nicht ihrer Werke sicher, sondern der Barmherzigkeit, die vom Bösen befreit.
 
Jesus antwortet auf die Anrufung, die von der Erde zum Himmel aufsteigt, von denen, die nicht aufgeben wollen, die sich der Logik des Bösen nicht unterwerfen wollen, die nicht aufhören, Gerechtigkeit und Zukunft zu suchen, die Schutz und Heilung erbitten: „Hättest du doch den Himmel zerrissen und wärest herabgestiegen“ (Jes 63,19).
 
Wie der Regen in der Erde verschwindet und wir doch wissen, dass er nie zurückkehrt ohne Frucht zu bringen, so vertrauen auch wir uns seiner Liebe an. Und wir machen uns auf den Weg, wie uns der Prophet fragt, nicht weil wir auf alles eine Antwort haben oder alles verstanden haben, sondern nur, weil wir von seiner Liebe erfüllt sind. Wie der Heilige Franziskus 1353, der so aufblühte und reich an heiliger Einfachheit wurde, der, obwohl er absolut nichts eigenes von den Dingen der Welt besaß, alles zu besitzen schien, weil er den Schöpfer dieser Welt hatte. „In Anbetracht des Ursprungs aller Dinge, nannte er alle Kreaturen, wie bescheiden sie auch waren, Bruder und Schwester“. „Die Tiere fühlten sich von ihm angezogen wie durch ein Gefühl der Zuneigung; auch die gefühllosen Wesen gehorchten seinem Wink, als ob dieser Heilige Mann, einfach und aufrecht wie er war, schon im Zustand der Unschuld wiederhergestellt wäre“. 
Das ist die Kraft der Menschen des Friedens, derer, die reinen Herzens sind, die sich von der Undurchsichtigkeit des Bösen befreien und um die herum viele eine Kraft des Friedens sehen und erlangen. Franziskus lebte die Unschuld des Ursprungs, der Liebe, eines Menschen, der wieder er selbst wird, wie Gott ihn erschaffen und gedacht hat. „Gott ist größer als unser Herz und weiß alles“. (1 Joh 3,20)
 
Jesus ist die Brücke, die jeden von uns mit dem entferntesten verbindet, das sonst unerreichbar wäre in schwindelerregender Höhe, das Herz Gottes. Das entscheidende ist  wirklich unsichtbar. Martin Luther King sagte, dass wir die Sterne im Himmel sehen, aber nicht die unsichtbaren Gesetze der Schwerkraft, die wahre Kraft, die alles zusammenhält und jede Bewegung bestimmt.
Das Versprechen des Propheten ist das der Fruchtbarkeit. „Es kehrt nicht leer zu mir zurück“. Deshalb machen wir uns auf den Weg mit der Freude, dass wir in den Frieden zurückgeführt werden. Ja, machen auch wir uns auf den Weg, um Brücken zu bauen, die es noch nicht gibt. Wir wissen, dass die Berge und Hügel vor uns in Freudenschreie ausbrechen und alle Bäume in die Hände klatschen werden. Werden wir Menschen des Himmels, indem wir seinen Frieden unter allen aussäen, mit Zuneigung zu jedem, indem wir von Vorurteilen befreien, die verurteilen und Samen der Gewalt und der Angst sind, indem wir mit der Beharrlichkeit der aufdringlichen Witwe beten, die Gerechtigkeit will, indem wir alle mit Zuneigung betrachten, die Hand ausstrecken, auch wenn wir nicht wissen, ob der andere sie ergreifen wird. Gott lässt regnen über Gerechte und Ungerechte (Mt 5,45), und wir müssen von ihm lernen, um seine Kinder zu sein. Der Regen muss in der Erde verschwinden, wie auch uns manchmal die Liebe verloren scheint, aber immer Frucht bringt, wie die Liebe, die nie verloren ist.
 
Unser Gebet ist „Lasst es regnen, Himmel, aus der Höhe, und die Wolken mögen Gerechtigkeit auf uns herabregnen lassen; die Erde öffne sich und bringe Heil hervor und lasse Gerechtigkeit sprießen“. Auch das Gebet kehrt nicht zurück, ohne das vollbracht zu haben, was wir wünschen. Nichts ist unmöglich für den, der glaubt. Machen wir uns auf den Weg als Menschen des Friedens, auch wenn es um uns herum viele Sirenen des Krieges, billiger Identitäten ohne Geschichte oder Glauben gibt. Glauben wir an die Brücken, auch wenn wir jetzt zwei weit entfernte und entgegengesetzte Ufer sehen. Wir tun das, weil wir glauben, dass der Herr uns, auch inmitten unserer Fehler, die Erde fruchtbar machen lässt mit unserem Leben und mit der Intelligenz der Liebe, die uns inspiriert.
 
Wir sind alle arme Leute, die es nötig haben, „nicht künstliche Monde in die Luft zu werfen, aber zu sehen, wie man Brücken baut, um die Trennungen zwischen den Menschen zu verhindern, den Hass unter den Menschen, um zu sehen, ob wir erreichen können, dass der Krieg nicht zurückkehrt; denn der Krieg, auch wenn er nicht unter Menschen derselben Sprache, desselben Blutes, derselben Tradition und derselben Religion gekämpft wird, ist immer ein Brudermord“. So schrieb Don Primo Mazzolari. Leben wir ab heute als Menschen des Himmels, damit viele in uns das Licht der Liebe sehen können, das nicht untergeht, und den Beginn des Friedens, den Gott für alle Menschen möchte! Denn sein Wort kehrt niemals zurück zu bewirken, wozu es ausgesandt wurde.