23 September 2024 09:30 | Eglise Saint-Merry

Rede von Joan



Teilen Auf

Joan

Orthodoxer Metropolit, Albanien
 biografie
I
Die Kirche hat eine lange Tradition in der Lehre der Solidaritaet mit den Armen und des Friedens. Die Schluesselelemente, in denen die Antwort der Kirche gegenueber Armut, Solidaritaet und Friede zusammengefasst werden kann, sind Liebe und Wuerde fuer jedes menschliche GEschoepf, wie immer es auch gestaltet sei. Es ist das Recht jedes Menschenwesens, gemaess seinewr eigenen Wuerde behandelt zu werden, und die Gesellschaft sollte sich auf dieses Gut ausrichten. Die sozio-oekonomischen Strukturen, welche fuer die von Armut betroffenen Menschen verantwortlich sind, sind ungerecht und beduerfen Verbesserung. Jene, die die Armen unterdruecken, zeigen Verachtung gegenueber ihrem Schoepfer. Wer dem Beduerftigen gegenueber freundlich zugewandt ist, ehrt den Schoepfer (Weish 14,31).
Einer der aeltesten Texte der Kirche ist die Didaché, welche den Christen gebot alles, was sie hatte, miteinander zu teilen: Wenn ihr bereits das gemeinsam besitzt, was ewig ist um wieviel mehr das, was vergaenglich ist. In seiner Lehre Ueber die Liebe zu den Armen beginnt der Heilige Gregorios, der Theologe, mit einer Bezugnahme auf die verschiedenen christlichen Tugenden und fuehrt abschliessend an, dass wir ueber alle Tugenden die Liebe stellen muessen als das hoechste der Gebote, denn es ist die Summe der Gebote und der Propheten. Als lebendigsten Teil der Liebe bezeichnete er die Liebe fuer die Armen, das Mitgefuehl fuer die Mitmenschen. Er haelt fest: Die Regel fuer das vollkommenste christliche Leben besteht darin, das Gemeinwohl zu suchen... Denn nichts sonst kann einen Menschen zum Nachfolger Christi machen, wenn nicht die Sorge um seinen Naechsten. Wir muessen uns stets daran erinnern, dass das erste Werk des Messias darin bestand, das Evangelium den Armen zu verkuenden (Lk 4,18). Die Kirche bemueht sich, das rettende Wirken Christi fortzusetzen, und die Armen muessen auch fuer uns an erster Stelle sein. 
 
II
Der Friede ist eine Kombination von Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit und Solidaritaet. Es kann keinen Frieden geben, wenn es keine Gerechtigkeit gibt. Und es kann keine Gerechtigkeit geben, wenn es keine Solidaritaet gibt. Gleichzeitig: Wo es Gewalt gibt, kann es keinen Frieden geben, denn durch die Gewalt entsteht Ungerechtigkeit. Die Krieg sind oft das Resultat der Missachtung dser Menschenrechte, der Ausbeutung von Menschen oder Nationen, und Geiz verursacht immer Armut. Die Agenda 2030 der UNO fuer nachhaltige Entwicklung betont: Es kann keine nachhaltige Entwicklung geben ohne Frieden, und es kann keuinen Frieden geben ohne nachhaltige Entwicklung. Extreme Armut ist tatsaechlich sowohl ein Produkt von Konflikten als auch die Ursache davon. Sie verstaerkt Frustration und Verzweiflung, welche in einer gewaltvollen Generation die Schluesselelemente sind. Die Geschichte hat Tausende von Beispielen gezeigt, wie Kriege und Konflikte zu Armut und Zerstoerung fuewhren, wie die Armut zu weiteren Konflikten fuehrt und somit einen Teufelskreis in Gang bringt. Der Krieg in der Ukraine und in Gaza sowie die Konflikte in vielen Teilen der Welt, zeigen uns den grossen von Kriegen verursachten Schaden und das Leid und die Armut von Millionen von Menschen. Sie sind ein starker Ruf an uns alle, um alles zu unternehmen, um die Kriege zu stoppen, Frieden ueberall dort zu schaffen, wo Konflikt herrscht und solidarisch mit den Armen und Notleidenden zu sein. Indem wir Armut bekaempfen, reduzieren wir das Potenzial fuer Konflikte, und indem wir Konflikte vermeiden, erhoeht sich die Chance auf Frieden. 
 
III
Solidaritaet und Friede sind tief miteinander verbunden, und wenn es keinen Frieden und keine Solidaritaet gibt, ueberwiegt die Armut. Nur die gegenseitige Solidaritaet erlaubt, dass sich der Friede ausbreitet. Solidaritaet bestaetigt die Idee, dass die menschlichen Geschoepfe auf Gemeinschaft hin geschaffen sind, und dass sie dazu aufgerufen sind miteinander in Gemeinschaft zu leben, indem sie sich vereinen zum Wohl eines jeden und fuer die Wuerde jedes einzelnen Menschen Sorge tragen. Wir sind alle Schwestern und Brueder. Mit den anderen geschwisterlich und solidarisch zu sein bedeutet nicht nur ihnen gegenueber Mitgefuehl zu zeigen, sondern ihren Schmerz als den eigenen zu fuehlen und fuer das Wohl der anderen taetig zu sein. Wir muessen die Mentalitaet erneuern, damit sie in Werten der Gemeinschaft denkt.
Solidaritaet ist Ausdruck dafuer, wie wir untereinander vernetzt und aufeinander angewiesen sind, und der Heilige Paulus hilft uns, diese Wirklichkeit zu verstehen, indsem er eine Analogie zu unserem physischen Leib aufzeigt. Denn wie wir an dem einen Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, als Einzelne aber sind wir Glieder, die zueinander gehoeren. (Roem 12,4). Ohne Solidaritaet und Geschwisterlichkeit koennen wir weder Freiheit noch Gleichheit haben. In Bezug auf das beruehmte Motto der Franzoesischen Revolution Freiheit, Gleichheit, Bruederlichkeit hatte vor vielen Jahren Henri Bergson betont, dass nur die Geschwisterlichkeit die anderen beiden Schwestern versoehnen kann, die in Wirklichkeit Feinde sind. 
 
IV
Es ist die Pflicht und die Berufung eines jeden von uns – Glaubende, Politiker, Zivilgesellschaft in der ganzen Welt – den Frieden in Solidaritaet mit den Armen aufzubauen. Als Glaeubige muessen wir uns auf der Heiligen Schrift gruenden und auf der reichen Ueberlieferung der Kirche. Der Psalmist sagt Dem Herrn gehoert die Erde und was sie erfuellt (Ps 24,1). Der Reichtum ist eine Gabe Gottes fuer alle Menschen, nicht nur fuer einige wenige. Wir sind nicht dessen Besitzer, sondern dessen Verwalter. Du gibst nicht eine Gabe deines Besitzes dem Armen. Du gibst ihm das, was ihm gehoert, sagt der Heilige Ambrosius von Mailand. 
Reichtum an sich ist nicht neutral, sondern haengt davon ab, wie er betrachtet.eingesetzt wird. Wenn wir ihn als persoenlichen Reichtum betrachtet, missbrauchen wir das Eigentum Gottes, und dies ist Ursache jeder wirtschaftlichen und sozialer Krise. Die wirtschaftlichen Krisen, die Kriege und die Armut sind in einer spirituellen Krise begruendet. Wenn wir nicht die spirituelle Krise heilen, koennen wir nicht die wirtschaftliche Krise loesen, geschweige denn Frieden erlangen, und ohne Friede wird es weiter Kriege und Armut geben.
Wir mussen versuchen, alle Seiten der Gesellschaft dahin zu ermutigen, das Beduerfnis der Arrmen ins Zentrum derer Politik stellen. Wie Mahatma Gandhi sagte: Die Groesse einer Nation wird daran gemessen, wie sie ihre schwaechsten Glieder behandelt. 
Vielleicht gelingt es uns nicht, konkrete Alternativen gegenueber der wirtschaftlichen Globalisierung vorzuschlagen, und wir haben auch nicht die Kompetenzen um komplexe politische Strategien und Pratiken zu entwickeln, um die globale Wirtschaft zu regulieren...beeinflussen. Dennoch muessen wir im Alltag des gesellschaftlichen Lebens praesent sein, um nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten und im persoenlichen Vorbild-Sein den warmen Geist der Liebe und des Mitleids unter den Personen zu verbreiten, damit die menschliche Gesellschaft nicht vom kalten Wind des Egoismus, der Gleichgueltigkeit und der Unmenschlichkeit gefroren wird. Wir muessen auch immer bereit sein, auf kreative WEise innerhalb der Prozesse und Moeglichkeiten der freien Gesellschaften zu arbeiten, damit in ihnen die Armen nicht einfach nur Objekte der Zuwendung der Reichen sind, sondern damit ihnen die Gelegenheit geschaffen wird, selbst an den Ressourcen der Menschheit teilzuhaben und mitzuarbeiten. Auf diese Weise werden die Armen Wuerde erhalten, denn mehr noch als Brot braucht das menschliche Geschoepf Wuerde und Respekt, eine Wuerde, die der Schoepfewr selbst ihm verliehen hat, waehrend er es nach seinem Abbild schuf. 
 
Die Prioritaet der Kirche muss immer das Evangelium vom Reich Gottes sein. Doch dieses Evangelium des Reichs ist auch in diesem Leben wichtig. Wir muessen versuchen, das Gleichgewicht zu halten zwischen diesen Gegensaetzen und uns nicht fuer das eine entscheiden, indem das andere vernachlaessigt wird: Das Gleichgewicht zwischen dem Evangelium des Reichs – das die pastorale Arbeit fuer die Rettung des Menschen umfasst – und dem Sozialen Evangelium, das die Saettigung der Armen im Blick hat, die medizinische Versorgung, die Bildung, den Aufbau des Friedens und den Schutz der Armen. Denn beide Aspekte sind wichtig und stehen miteinander in Verbindung. 
Die grosse Aufmerksamkeit der Kirchenvaeter gegenueber der sozialen Themen ist beachtlich. Fuer den Heiligen Johannes Chrysostomus was das Sakrament des Altares nichtig, wenn es nicht auf das Sakrament des Armen ausgeweitet wird. „Willst du den Leib Christi ehren? Fragt er, indem er auf das Matthaeusevangelium Bezug nimmt: „Dann übersieh nicht, dass dieser Leib nackt ist. Ehre den Herrn nicht im Haus der Kirche mit seidenen Gewändern, während du ihn draußen übersiehst, wo er unter Kälte und Blöße leidet. Derjenige nämlich, der gesagt hat: ‚Das ist mein Leib’, hat auch gesagt und mit diesem Wort eine Wirklichkeit festgestellt: ‚Ihr habt gesehen, dass ich hungrig war, und ihr habt mir nichts zu essen gegeben ...’ Wir wollen also lernen, weise zu werden und Christus so zu ehren, wie er es will. Dem Geehrten ist jene Ehre am liebsten, die er selbst wünscht, nicht die, welche wir für gut halten ... Ehre also auch du ihn, so wie er es geboten hat, indem du den Reichtum an die Armen verteilst. Gott braucht nicht goldene Geräte, sondern goldene Herzen. „
Zusammenfassend: Ich glaube, dass Gott moechte, dass wir den Schrei der Armen hoeren und denen zu Hilfe eilen, die in Not sind und die unter Gewalt leiden. Bei dieser Gelegenheit moechte ich der Gemeinschaft Sant Egidio danken, die in der ganzen Welt praesent ist, und den Schrei der Armen und Notleidenden nicht nur hoert, sondern auch darauf antwortet, indem sie ihnen hilft. Der Herr moege in Seinem Reich dieser ihrer Arbeit gedenken! Amen!