Friedensappell 2018
Als Frauen und Männer aus verschiedenen Religionen sind wir auf Einladung der Gemeinschaft Sant’Egidio und der Erzdiözese Bologna als Pilger in dieser schönen und gastfreundlichen Stadt zusammengekommen. Wir fühlen uns durch ein Bewusstsein und ein Verantwortungsgefühl herausgefordert: der Friede ist nie eine dauerhafte Errungenschaft und muss immer wieder gemeinsam neu aufgebaut werden, indem die Herzen und das Denken gereinigt werden und den Völkern Hilfe angeboten wird, um dem Anderen in die Augen zu schauen und nicht in Ängsten gefangen zu bleiben.
In den vergangenen, von der Globalisierung geprägten Jahren fehlte eine spirituelle Vereinigung, der Traum von einer Welt in Frieden wurde durch zu viel Ungleichheit, Ungerechtigkeit, neue Kriege, die Produktion neuer und zu vieler Waffen und durch das Errichten von Mauern, die scheinbar für immer eingerissen waren, beiseitegeschoben. Doch durch den Krieg verlieren alle, auch die Sieger des ersten Augenblicks.
In diesen Jahren war der Geist von Assisi eine Hilfe, sich zu begegnen, und hat deutlich gemacht, dass der Krieg im Namen der Religion immer ein Krieg gegen die Religion ist. Denn der Krieg ist gegen den Menschen. Daher wollen wir durch das Gebet und die Solidarität mit den Leidenden auf der ganzen Welt unseren Beitrag leisten, um „Brücken des Friedens“ aufzubauen. Unsere Zeit bringt große Chancen, aber auch den Verlust von zu vielen beschädigten Brücken und Mauern mit sich. In dieser Zeit verliert man die Erinnerung, man verschmutzt Luft, Wasser und Boden und vergeudet menschliche Ressourcen; diese Vergeudung lädt den zukünftigen Generationen unerträgliche Lasten und Schulden auf. Wir haben leidvolle Berichte aus Ländern im Krieg und Zeugnisse aus Ländern gehört, in denen neue Grenzen, Mauern und Gegensätze geschaffen werden.
Es gibt auf Seiten der Erniedrigten, der Armen der Erde und der vom Leben Verwundeten eine große Sehnsucht nach Frieden. Wir dürfen uns nicht im Pessimismus verschließen, oder was noch schlimmer ist, in der Gleichgültigkeit.
Die Herzen müssen verändert und das Denken für den Frieden aufgeschlossen werden. Wir wollen dafür arbeiten, die häufigen Ursachen für viele Konflikte zu beseitigen: Machtgier, Habgier, Waffenhandel, Fanatismus, ausufernder Nationalismus, Individualismus und die Durchsetzung der eigenen, zum absoluten Kriterium überhöhten Gruppe, sowie die Suche nach Sündenböcken. Wir verpflichten uns, auch menschliche Beziehungen aufzubauen und zu schützen, um die Einsamkeit zu überwinden, die immer mehr zum Kennzeichen unserer Gesellschaften wird. Einsame Jugendliche ohne Perspektive außer der Emigration, verlassene alte Menschen, die daher allein sterben, Länder, die ignoriert werden, vergessene Kriege: dies alles fordert von uns einen größeren gemeinsamen Einsatz.
Wie bei den Völkern tun sich auch den Religionen verschiedene Wege auf. Die Arbeit für die spirituelle Vereinigung, die bisher in der Globalisierung gefehlt hat, und für ein gemeinsames Schicksal der Menschheit. Oder aber, dass man der Zeit hinterherläuft und sich benutzen lässt, um Widerstände gegen die Globalisierung zu stärken und Grenzen, Unterschiede, Identitäten und Konflikte zu rechtfertigen. Aber auch, dass man letztlich im eigenen Umfeld verschlossen bleibt angesichts einer ganz und gar ökonomischen Globalisierung.
Wenn der Dialog fehlt und Mauern akzeptiert werden, werden die Religionen und die Welt geschwächt. Mauern schenken keine größere Sicherheit, sie gefährden vielmehr das Überleben ganzer Gemeinwesen. Sie leugnen die zentrale Dimension der Religion, denn der Dialog ist wesentlicher Teil der menschlichen und spirituellen Erfahrung.
Die Religionen sind Verbundenheit, Gemeinschaft, Zusammensein. Sie sind Brücken, schaffen gemeinsame Grundlagen, erneuern die Menschheitsfamilie. Wenn das Gespür für ein gemeinsames Schicksal verloren geht, ist das eine Niederlage für die Menschheit und für alle Gläubigen. In ihrer tausendjährigen Weisheit, die durch das Gebet und durch den Kontakt mit dem menschlichen Leid geformt wurde, sind die Religionen lebendige Werkstätten der Einheit und der Menschheit, sie machen alle Männer und Frauen zu Bauleuten des Friedens.
Heute muss das eigene Herz verändert werden, um eine Zukunft in Frieden aufzubauen. Das ist der Ausgangspunkt! Wir sind nicht allein angesichts dieser immensen Aufgabe. Das Gebet ist die Wurzel für den Frieden und hilft, dass man sich nicht von der Gegenwart niederdrücken lässt. Ja, die schwache Kraft des Gebetes ist die machtvollste Energie, um auch dort Frieden zu schaffen, wo es unmöglich erscheint. Daher wiederholen wir: im Krieg gibt es keine Zukunft. Möge Gott die Herzen entwaffnen und einem jeden helfen, eine Brücke des Friedens zu sein. Möge Gott uns helfen, die gemeinsame Menschheitsfamilie zu erneuern und „unsere Mutter Erde“ zu lieben. Denn der Namen Gottes lautet Frieden.
Bologna, 16. Oktober 2018