Exzellenzen, meine Damen und Herren!
Während wir uns heute hier versammeln und aus unterschiedlichen religiösen und kulturellen Welten kommen, teilen wir den gemeinsamen Wunsch für eine Zukunft, in der der Friede, das Zusammenleben, der Dialog und die Solidarität auf allen Ebenen aufblühen können. Diese Vision, die wir miteinander teilen, vereint uns in unserem Wagnis für den Frieden.
Auf dieser Reise der Transformation erforschen wir einen tiefen Aspekt unserer menschlichen Erfahrung: das Konzept, die Zerbrechlichkeit anzunehmen. In einer Welt, in der oft die Kraft und Unbesiegbarkeit erhöht wird, könnten wir auf die Schönheit und Weisheit vergessen, die der Schwäche innewohnt. Heute fordere ich jede und jeden von euch auf, die in der eigenen Schwäche verborgene Kraft zu entdecken und zunutze zu machen.
Was aber ist Zerbrechlichkeit?
Die Zerbrechlichkeit ist ein Zustand der physischen oder emotiven Schwäche, oft gepaart mit der natürlichen Verringerung an Kraft augrund von Alter oder schwieriger Umstände. Zerbrechlichkeit kann auf unterschiedliche Weise zutage treten: physische Schwäche, Vulnerabilität aufgrund von Krankheiten, psychische Sensibilität und ein vermindertes Vermögen, Stress oder Schwierigkeiten zu bewältigen.
Im weiteren Sinne kann sich die Zerbrechlichkeit auch darauf beziehen, unsere Grenzen und menschlichen Unvollkommenheiten anzuerkennen, also sich dessen bewusst zu werden, dass wir nicht unbesiegbar sind und dass die Unsicherheiten und Herausforderungen des Lebens uns in der Tiefe aufwühlen können.
Der Zerbrechlichkeit zu begegnen bedeutet, unsere Verletzlichkeit als wesentlichen Aspekt des menschlichen Lebens zu verstehen. Mehr noch als in der Zerbrechlichkeit eine Schwäche zu sehen, bedeutet die Akzeptanz der Zerbrechlichkeit, darin eine Kraft, eine Weisheit, Mitgefühl zu finden. Es ermöglicht mit anderen auf empathische Weise in Verbindung zu treten und die Schönheit und Widerstandsfähigkeit inmitten unserer Unvollkommenheiten zu entdecken.
Mein Buch “In Love with Death” (“Mit dem Tod verliebt”) handelt von der Wichtigkeit, sich des Todes immer und in jedem Moment bewusst zu sein. Dies hilft uns, dass wir uns auf berührende Weise daran erinnern, dass wir Reisende sind auf dem Weg durch den Wartesaal des Lebens. Das Vergängliche an unserer Existenz anzunehmen erlaubt uns, jeden Moment wertzuschätzen und mit Authentizität zu leben.
Auch wenn die Dauer unseres Aufenthalts auf dieser Erde ungewiss ist, so ist das, was wirklich zählt, die Qualität unseres Lebens.
Es gibt einige aufschlussreiche Geschichten in den indischen Schriften. Reist mit mir zurück in das antike Indien, wo der König Janaka, ein Regent und Sucher nach Wahrheit, eine tiefe Reise unternahm. Janaka war ein mächtiger König, aber er sehnte sich brennend danach, die Natur der Existenz zu verstehen und inneren Frieden zu finden. Trotz des fortgeschrittenen Alters war er voller Lebenskraft und reich an spiritueller Weisheit. Er suchte beim großen Weisen Ashtavakra um Rat. Als er den Weisen Ashtavakra antraf, fragte er ihn: “Wie kann ich in meinem Alter Zufriedenheit erlangen und die unvermeidbaren Veränderungen des Lebens annehmen?” Ashtavakra blickte dem König in die Augen und sagte: “Oh edler König, so wie die Sonne aufgeht und untergeht, so hat auch das Leben seinen Lauf von Geburt, Wachstum bis hin zum endlichen Niedergang. Nimm jede Phase mit Loslösung an. Das Geheimnis den Frieden zu finden liegt nicht im Festhalten an der Vergangenheit oder in der Furcht vor der Zukunft, sondern darin, in Fülle den Moment der Gegenwart zu leben.”
Der Weise fuhr fort: “Du bist nicht dein Körper und wirst weder durch dein Alter noch durch deine Lebenslage definiert. Du bist die ewige Seele, die im Inneren lebt, die nicht vom Lauf der Zeit berührt wird. Verwirkliche deine wahre Natur und du wirst entdecken, dass das Alter nichts anderes ist als eine vorübergehende Wolke in der Weite des Himmels deiner Existenz.”
Die Eingebungen des Weisen offenbarten die wahre Bedeutung der Zufriedenheit, die darin wurzelt, in Fülle in der Gegenwart zu leben, befreit von der Last der Vergangenheit und der Sorge vor der Zukunft. Zufriedenheit im Alter zu erlangen erfordert also jeden Moment der Gegenwart zu leben.
Ein anderer wesentlicher Aspekt des Lebens ist der SCHMERZ.
Der Schmerz, eine Quelle des Leidens, bringt uns die Zerbrechlichkeit des Lebens nahe. In solchen Momenten der Verwundbarkeit unternehmen wir meist einen Weg der Selbstreflexion, stellen uns Fragen und sind auf der Suche nach tieferen Wahrheiten über uns selbst und die Natur der Existenz.
Im Schmerz findet man eine Einladung in sich zu gehen und unser Festhalten an weltlichen Zielen, Wünschen und vergänglichen Dingen zu prüfen. Während wir die Tiefe unserer Emotionen bereisen, finden wir uns Auge in Auge mit der Vergänglichkeit der materiellen Güter und der Vergänglichkeit der physischen Existenz.
Indem wir uns loslösen, die Vergänglichkeit der physischen Welt anerkennen und dabei der ewigen Beschaffenheit der Seele begegnen, entwickeln wir uns geistig weiter. Zudem gewinnst du, wenn du dich loslöst, die Kontrolle über deine Gedanken und lernst es, deinen Geist zu beherrschen. Dies ist wesentlich, denn die Krankheiten treten durch den Geist ein und manifestieren sich im Körper. Um das innere Glück zu erreichen und frei von Krankheit zu bleiben, ist die Loslösung der erste Schritt, gefolgt von der Kontrolle über die eigenen Gedanken und einer positiven Sichtweise.
Wenn es etwas gibt, was wir alle in unserem Leben begehren, dann ist es das Geld. Das Geld ist wie ein Schlüssel, der uns die Tür zu all dem Wundervollen der Welt öffnet. Vergessen wir aber nicht, dass das Geld nicht unser Ende ist und es nie sein darf.
Als ich mich mit der Weisheit der alten indischen Schriften beschäftigte, wurde mir bewusst, dass das Geld und die materiellen Güter flüchtig sind. Wir sind nichts anderes als Staub, und alle weltlichen Erfahrungen werden verschwinden. Und wenn das geschehen wird, wird das wahre Wesens unseres Seins offenbart werden: die unsterbliche Seele.
In der Bhagavad Gita ermahnt Krishna Arjuna, die Illusionen des Habens und den Geschmack am Besitz aufzugeben. Unsere Zerbrechlichkeit anzunehmen und den Tod in Gedanken zu behalten, befreit uns vom falschen Sinn des “ichs” und “mein”, und eröffnet uns die Straße zu dauerhaftem Frieden und Glück.
Das Leben selbst ist ein ununterbrochener Zyklus von Tod und Wiedergeburt.
Jeden Tag sterben wir und wachen am neuen Tag wieder auf. Die Unvermeidbarkeit des Todes darf nicht gefürchtet werden, sondern muss als tiefe Wahrheit angenommen werden, die es uns erlaubt, die Schönheit und die Geheimnisse des Lebens zu erfahren. Ohne den Tod wären wir für immer in alten und kranken Körpern in einem unendlichen Zyklus des Leids gefangen.
Während wir die Komplexität des Lebens erforschen begegnen wir unserer Zerbrechlichkeit mit Mut und Akzeptanz. Die Zerbrechlichkeit anzunehmen ist nicht ein Zeichen der Schwäche. Vielmehr bezeugt es unsere Menschlichkeit und unsere Fähigkeit in der Verletzlichkeit Kraft zu finden.
Zelebrieren wir unsere Unvollkommenheit, denn durch unsere Zerbrechlichkeit verbinden wir uns untereinander, indem wir Beziehungen der Empathie und des Mitleids aufbauen, welche Zeit und Distanz überwinden. Die Zerbrechlichkeit anzunehmen ist ein wesentlicher Bestandteil der menschlichen Erfahrung und erinnert uns eindringlich an die Tatsache, dass wir uns alle gemeinsam auf dieser Reise befinden.
Schließlich führt uns das Annehmen der Zerbrechlichkeit zum Wesentlichen des Lebens und zur tiefen Bedeutung der Existenz. Der Friede erwartet jene, die es tatsächlich wagen, die eigene Zerbrechlichkeit und die Unvermeidbarkeit des Todes anzuerkennen. Je mehr Herzen den inneren Frieden und die innere Freude finden, umso mehr wird der globale Frieden ein natürliches Ergebnis. Zeigen wir Wagemut darin, unsere Unvollkommenheiten anzunehmen, denn darin beginnt der Weg hin zu einem dauerhaften Frieden.
Erinnern wir uns daran, dass wir nur einfache Wanderer auf Erden sind und dass der Tod das Ende dieser Reise darstellt. Da dies ein Internationales Treffen für den Frieden ist, ist es die Gelegenheit daran zu erinnern, dass wir alle gleichsam Besucher auf diesem Planeten sind und nichts mit uns mitnehmen werden. Weshalb also der Macht hinterher rennen, dem Reichtum, der Ehre und dem Ruhm, die nur für einen Moment dauern. Sie alle haben absolut keinen Wert, wenn wir einmal von der Erde weggehen werden? Warum verwirklichen wir nicht ein friedliches Zusammenleben, mit Liebe und Harmonie – die wesentliche Nahrung für die Reinheit unserer Seelen.
Die Kriege möchten oft ein Erbe hinterlassen, doch erlaubt mir diese Gelegenheit zu nützen, um eine Botschaft an die Welt zu richten: Lebt in Frieden zusammen! Das Hinterlassen eines Erbes wird schließlich nicht wichtig sein, denn du wirst alles hinter dir lassen müssen!
Möge uns das Wagnis für den Frieden zu einer froheren und harmonischeren Welt führen. Danke.