12 September 2023 17:00 | Berlin

Meditation von Matteo Zuppi



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Matteo Zuppi

Kardinal, Erzbischof von Bologna und Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz
 biografie
Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg des Hauses des HERRN steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Nationen. Viele Völker gehen und sagen: Auf, wir ziehen hinauf zum Berg des HERRN und zum Haus des Gottes Jakobs. Er unterweise uns in seinen Wegen, auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn vom Zion zieht Weisung aus und das Wort des HERRN von Jerusalem. Er wird Recht schaffen zwischen den Nationen und viele Völker zurechtweisen. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht das Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg. Haus Jakob, auf, wir wollen gehen im Licht des HERRN.
Is 2,2-5
 
 
Wann beginnt denn diese Zeit des Friedens, die wie ein unmöglicher Traum erscheint für eine Welt, die von der Pandemie des Krieges heimgesucht wird, die akzeptiert, dass die Kornkammern geleert und die Arsenale, die sie zerstören, gefüllt werden?
Wann kommt diese Zeit für diejenigen, die in einem ukrainischen Schützengraben oder im vergessenen Syrien kämpfen, für diejenigen, die in einer weglosen Wüste ohne Wasser sich selbst und der Verzweiflung überlassen sind, oder für diejenigen, die in einem unermesslich großen Meer der Kraft des Wassers ausgeliefert und in ihrer Angst alleine sind? 
Wann wird diese Zeit kommen, die durch so viel Gleichgültigkeit gestohlen wird, durch viele alte und neue Formen der Komplizenschaft mit der Gewalt, jener Gewalt, die immer damit beginnt, dass Vorurteile und Unwissenheit sich des Herzens und des Verstandes bemächtigen, und die immer und unweigerlich dazu führt, dass man am Ende zu den Waffen greift? 
Wird diese Zeit jemals kommen, wenn wir so viele Gelegenheiten zur Veränderung vergeuden, weil wir uns durch den Individualismus verführen lassen, der uns glauben macht, dass unser Wohlergehen im Streben nach unserem individuellen Glück liege, wenn wir uns mit nutzlosen Sorgen anfüllen, als würde es genügen, unsere Ruhe zu haben, um Frieden zu finden? 
Kommt diese Zeit, wenn wir meinen, zuerst unsere eigenen Wunden heilen zu müssen, wenn wir immer meinen, zu schwach zu sein, und nie damit anfangen, uns demütig in den Dienst an den geringsten Brüdern und Schwestern Jesu zu stellen? 
Wann beginnt die Zeit des Herrn in einer Zeit, die meint, immer noch Zeit zu haben, und die sich den Luxus leistet, diese Zeit zu vergeuden, so viele Gelegenheiten verfallen zu lassen, dass wir uns das unendliche Leid, das aus der Pandemie des Krieges resultiert, nicht zu Herzen nehmen? 
 
Heute zeigt uns der Prophet den Berg des Hauses des Herrn, jenes neue Jerusalem, das uns hilft, den Blick zu erheben. 
In diesen Tagen haben wir den Blick erhoben auf der Suche nach diesem Berg und nach dem Haus des Herrn. 
 
Seht, die Zeit hat begonnen. Jesus ist unsere Zeit. Er ist der Weg, den Gott uns gegeben hat, um auf diesen hohen Berg zu gelangen. Wir haben das Haus des Herrn gesehen, die Völker, die zusammengeströmt sind, als Schwestern und Brüder, "Fratelli tutti". Haben wir keine Angst, sagen wir nicht, ich bin zu jung oder zu alt, sondern lernen wir wieder persönlich und gemeinsam zu sagen: "Hier bin ich", um die Kunst der Liebe zu erlernen. Hören wir nicht auf, sie weiter zu erlernen. 
 
Seien wir Propheten des Friedens, die die Lanzen der Vorurteile zerbrechen, die so viel Distanz schaffen und Wunden schlagen. Heilen wir auch die Wunden unseres eigenen Herzens, indem wir die Wunden unseres Nächsten heilen. Üben wir uns nicht in der Kunst des Krieges, darin, den Hass zu pflegen, das Böse mit Bösem zu erwidern, den Nächsten zu demütigen und ihn in unseren Besitz zu nehmen, weil wir es nicht verstehen zu lieben. Lernen wir die Kunst des Lebens, die Kunst Gottes: einander zu lieben, die Schönheit eines jeden zu kennen und neu zu erkennen, zu verstehen, wie sehr wir füreinander ein Geschenk sind. Diese Kunst hat man nie ausgelernt, sie schenkt das Leben und erfüllt das Leben eines jeden. 
 
Ja, der Krieg ist ein schrecklicher Brand, der auf niemanden Rücksicht nimmt, aber ein Herz im Frieden kann ihn löschen und den Frieden wachsen lassen. Mutig werden wir nicht alleine, sondern indem wir gemeinsam in der Nachfolge Christi, unseres Friedens, gehen, der uns seinen Frieden anvertraut, damit wir ihn leben und ihn unseren vielen Weggefährten schenken. Mutig ist, wer demütig den Frieden schafft, wer ihn dort sät, wo es Spaltung, Ignoranz und Gewalt herrschen. Mutig ist, wer sich dem Krieg nicht ergibt und die Füße derer wäscht, die niemand liebt, an denen auf geheimnisvolle Weise niemand irgendetwas Anziehendes finden kann, der vielen, die vom Bösen verwundet sind. Ohne etwas dafür zu verlangen. Nur wegen des Mitleids, das Jesus für uns hat und um das er für alle bittet. Möge der Gott des Friedens uns mit seinem Geist der Liebe erfüllen, möge er uns von Angst und Mittelmäßigkeit befreien, damit viele in unserer kleinen Liebe den Frieden sehen können, den Gott für alle will. 
 
Amen.