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Shoten Minegishi

Buddhistischer Mönch, Soto-Zen, Japan
 biografie
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, verehrte Diskussionsteilnehmer und Zuhörer!
 
1. Ich möchte Ihnen meine Kernbotschaft vorstellen
Ich bin Buddhist, deswegen möchte ich das Thema von einem buddhistischen Standpunkt aus betrachten. Ich möchte jedoch weder als Fürsprecher für den Buddhismus auftreten, noch ihn jemandem aufzwingen. Ich möchte Ihnen davon erzählen, wie ich als Person innerhalb des Buddhismus in Japan lebe. Ich möchte Ihnen meine Gedanken zum Thema dieses Forums darlegen und zwar unter dem Aspekt, welchen Herausforderungen die Religionen in Bezug auf die Globalisierung gegenüberstehen. 
 
2. Die Anerkennung der Realität im Buddhismus
Aus buddhistischer Sicht können wir sagen, dass die Menschen von Natur aus voneinander getrennt sind und dass die Welt voller Unsicherheiten ist. Der Mensch ist ein Einzelgänger; egal wie gesegnet wir sind, wir können nicht in einer Welt ohne Leid leben. Ich glaube zum Beispiel, dass das Leid, dass durch die Trennung von einem geliebten oder den Verlust eines geliebten Menschen entsteht, niemals ganz verschwinden wird, egal wie perfekt die Gesellschaft sich entwickeln mag. Ich glaube, dass wir geboren werden und sterben müssen, und heute zu leben bedeutet, sich täglich unserem Tod zu nähern. Deshalb lehrt uns der Buddhismus aber auch, jeden Tag achtsam zu leben.
 
3. Der von jeder Religion garantierte Frieden
Ebenso kann man sagen, dass wir, weil wir getrennt voneinander sind, Solidarität brauchen und den Wunsch haben, in der Gemeinschaft mit anderen Frieden zu finden. Daher gewährt die Religion die Einheit der Menschen und bringt Harmonie in ihre Herzen. Ich persönlich bin jedoch der Meinung, dass wir noch nicht in keiner Religion einen Faktor gefunden haben, der den Seelenfrieden fördert, auch nicht unter Menschen verschiedener Glaubensrichtungen. Deshalb bin ich der Meinung und habe dies auch gelebt, dass ein Dialog zwischen den anderen Religionen notwendig ist. Ich habe immer geglaubt, dass es eine gemeinsame Verständigung zwischen den Verantwortlichen der verschiedenen Religionen geben muss, damit wir uns in der Begegnung wohlfühlen können, auch wenn wir verschiedenen Gruppen mit unterschiedlichen Doktrinen angehören.
 
4. Doktrin und Zusammenleber der Religionen
Um es anders auszudrücken: Die Frage ist, ob die einzelnen Religionen in der Lage sind, angemessen auf die Aspekte der Symbiose und des Zusammenlebens zu reagieren, die uns im Zeitalter der Globalisierung zunehmend bewusst werden. Im Allgemeinen haben Religionen in ihrem Kern Doktrinen, aber ich glaube, dass es auf der Ebene dieser Doktrinen schwierig ist, andere Überzeugungen zu erkennen, die sich von unseren eigenen unterscheiden.
 
5. Fragmentierung und Religion
Mit anderen Worten, ich bin der Meinung, dass ein ausschließender Aspekt innerhalb jeder Religion es für Gläubige anderer Religionen schwierig macht, in den inneren Kreis einzutreten, obwohl es innerhalb jeder Religion Aspekte gibt, diejenigen zu vereinen, die innerhalb dieser Religion als Gläubige gespalten sind. Betrachtet man nur diesen Aspekt, könnte man sagen, dass Religion den Prozess der Trennung und Isolierung von Menschen in sich trägt. Es ist festzustellen, dass jede Religion nur denjenigen Menschen ein Gefühl der Einheit vermitteln kann, die sich innerhalb desselben Glaubens befinden; und dass keine Religion allen Menschen, einschließlich den Nichtgläubigen, Seelenfrieden zu bringen. Es scheint also, dass die Trennungen untereinander nicht nur eine Herausforderung der Globalisierung ist, sondern auch eine grundlegende Herausforderung der "Kluft zwischen Gläubigen und Ungläubigen", die die Religionen begleiten wird, solange es sie gibt.
 
 
6. Globalisierung und Religion
In Anbetracht der obigen Ausführungen kann die Globalisierung eine hervorragende Chance für die Religionen sein. Die Globalisierung kann eine große Chance für den Glauben sein, denn wir treten in eine Ära ein, in der Menschen verschiedener Glaubensrichtungen und Kulturen nicht umhin kommen, einander zu begegnen. Ich kann mir vorstellen, dass das Tempo dieser Begegnung zunehmen wird.
 
7. Offenheit für die Erlösung und ihre Umsetzung
Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, bedeutet die durch das Internet garantierte Unmittelbarkeit der Informationsübermittlung, dass Religionen, die nur nach innen wirken können, jetzt vor einem kritischen Moment stehen. Hier ist nicht Missionierung unter dem Gesichtspunkt gefragt, dass nur diejenigen, die an diese Lehre glauben, gerettet werden, sondern eine offene Haltung gegenüber dem Heil, unter dem Motto "niemand wird zurückgelassen", (wie in den SDGs-Ziele für nachhaltige Entwicklung); wie es das konkrete Beispiel der Gemeinschaft St. Egidio zeigt, die denen nahe waren, die gezwungen sind, auf der Straße zu leben. Die SDGs werden als eine offene Haltung zur Rettung gesehen, "niemand wird zurückgelassen".
 
8. Transformation zum Selbstverständnis in der Religion
Die einzelnen Religionen müssen das Gegenteil von spaltend sein. Daher glaube ich, dass jede Religion auf der Ebene der Lehre ein System entwickeln muss, das nicht nur den eigenen Anhängern, sondern auch den Anhängern aller Religionen Sicherheit gibt. Ich glaube, dass ein solcher Mechanismus nur erreicht werden kann, wenn jede Religion ihr Selbstverständnis vertieft und sich auf ein offenes Verständnis anderer Religionen zubewegt, so dass die verschiedenen Religionen so anerkannt werden können, wie sie sind.
 
Schlussfolgerung: Das Beste aus der Globalisierung machen.
Die Globalisierung hat ihre Kritiker, aber sie ist auch eine Chance für jede Religion, sich der Welt als Religion zu öffnen. Denn jede Religion, die Konflikte mit der Einheit der Welt hat, muss sich der Herausforderung stellen, mit dem Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen umzugehen. In der Globalisierung stehen wir vor einer ernsten Frage: Wie kann jede Religion zu einer Religion für alle Menschen werden, ohne ihre Individualität zu verlieren, und nicht zu einer Religion, die zwischen Gläubigen und Nicht-Gläubigen unterscheidet? Wie können wir uns in der Globalisierung verändern? Wie müssen wir uns in der Globalisierung verändern? Ich akzeptiere, dass sich jede Religion auf dem Prüfstand befindet, um ihr Verständnis zu erweitern und zu vertiefen.
Ich möchte meine Rede mit dem Hinweis beenden, dass wir hier in Berlin zusammengekommen sind, um das Beste aus dieser Gelegenheit zu machen.
 
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.