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Marco Gnavi

Communauté de Sant’Egidio
 biographie
Liebe Freunde, 
herzlich willkommen! Das Thema, das uns hier heute versammelt, trägt den Titel “Gebet, Krankheit, Heilung”. Es sind drei Begriffe, die miteinander in Beziehung treten, aber nur, wenn wir uns vorbehaltlos der Schwäche unseres Körpers und Geistes stellen, die wir alle in uns tragen. Wir erwarten von dieser Begegnung heute Morgen keine endgültige Antwort, sondern einen offenen und ernsthaften Dialog, ohne die Widersprüche und die Herausforderung zu leugnen, die die Krankheit, die Krankheiten für jeden von uns und für unsere Glaubensgemeinschaften darstellen, seien sie christlich, orthodox, katholisch, evangelisch, jüdisch oder islamisch. Es ist kein äußerliches, kaltes, distanziertes Thema. Im Gegenteil, es ist eine Dimension des Lebens, die das Gewissen und den Glauben herausfordert, die zur Empathie oder zur Angst führt und die, wenn sie uns selbst betrifft, viele Gewissheiten erschüttert. Die Krankheit enthüllt eine tiefe Wahrheit über das Menschsein: wir sind zerbrechlich und das Leben ist ein Geschenk, das bewahrt werden muss und darauf wartet, ganz erfüllt zu werden.
Die Krankheit erinnert uns an das, was wir vergessen möchten: wir werden arm geboren, wir sterben arm; hier bedeutet arm, dass wir uns nicht selbst genügen, wir sind abhängig, aber in dieser Abhängigkeit – und dies ist das Thema des Gebets – können wir die Hilfe Gottes erfahren, der uns für unsere wahre Berufung als Mann, Frau, Kind und alter Mensch öffnet. Es ist eine Berufung, die über die Gegenwart hinausgeht, zu einem Leben in Fülle, zu einem Leben der Liebe oder – mit christlichen Worten, aber nicht nur christlich – zu einem Leben mit ihm, der als einziger den Tod besiegt hat. Die Krankheit bricht herein wie ein starker Widerspruch oder ein Hindernis: sie selbst begrenzt und erinnert uns unvermeidlich an das Ende unseres Seins. 
 
Und dann: wer ist vollkommen gesund und wer ist krank? Im Bruder und in der Schwester, deren Existenz von der Wunde der Krankheit gezeichnet ist, gibt es etwas von mir. Und wenn ich derjenige bin, der krank ist, hoffe ich, dass ein Freund an meiner Seite ist, der mich aufrichten kann und mir einen rettenden Hafen bietet. Die Krankheit höhlt die Mauer zwischen mir und der Schwäche aus, von der ich möchte, dass sie hoch und unüberwindbar ist. In Wirklichkeit sind wir alle zerbrechlich und alle können wir uns im Gebet öffnen in Erwartung der Heilung. 
 
Im Übrigen ist die Krankheit, sind die Krankheiten ein Zeichen für die Zeit, die vergeht. Sie prägen den Körper, den Verstand und die Seele. Denken wir daran, wie sich psychisches Unbehagen in einer Zeit der Einsamkeit auswirkt. …oder denken wir daran, wie die Krankheiten den Körper und die Seele der Flüchtlinge zeichnen. Sie sind wie eine schmerzende Erinnerung an die Etappen ihrer verzweifelten Reisen, an die Verfolgungen, an die erlittenen Angriffe. Andere Krankheiten treten auf als Folge des räuberischen Verhaltens des Menschen gegenüber der Schöpfung und betreffen ganze Bevölkerungen. Wie viele Allmachtideen bringen Böses und Krankheiten in allen Gegenden dieser Welt hervor. Die Krankheit des einzelnen offenbart die Gesundheit oder die Pathologie der Gesellschaft. Sie zeigt die Fähigkeit der Gemeinschaft zur Empathie, indem sie sich mit ihren schwächsten Mitgliedern identifiziert oder nur die Angst vor der Ansteckung brandmarkt. 
 
Ein anderes Mal tritt die Krankheit auf, ohne dass es einen Grund zu geben scheint, ganz plötzlich, denn sie liegt in unseren Genen. Oft wird sie als eine Ungerechtigkeit wahrgenommen, wie ein Dieb, der uns unsere Selbständigkeit stiehlt, die Beziehungen, das Wohlergehen, das Glück. Ein anderes Mal spricht man von Krankheit, obwohl es keine Krankheit ist, sondern ein Teil des Lebens und der Lebensabschnitte (das Alter und das Älter werden usw.). Wir könnten das fortsetzen. Wir können nicht vereinfachen, sondern uns diesem Thema nur mit Ernsthaftigkeit und Furcht nähern. 
 
Eins ist gewiss, dass die Krankheit unser Bedürfnis nach Pflege, Fürsorge, Hoffnung und Zärtlichkeit offenbart wie ein Kind bei seiner Mutter. Die Krankheit bringt Schmerz mit sich, aber sie führt auch zu authentischen Fragen über den Sinn des Lebens, über die Hoffnung und über das Morgen. Sie stellt sich in das Herz der Beziehung zwischen mir und Gott, seiner Gerechtigkeit und seiner Macht zu heilen. Sie offenbart mein Vertrauen und meinen Widerstand gegenüber dem Bösen; behandelt meine Angst. Sie drängt mich dazu, zu beten, auch wenn sie sich nur in einem Schrei oder stotternd ausdrückt. Das Gebet sucht nach Zeichen und Antworten. Es stellt zum Beispiel die Frage nach den Orten, oder anders gesagt nach Sanktuarien, zu denen man sich hinwenden kann, um Heilung zu suchen. Sie stellt der Glaubensgemeinschaft ein ernsthaftes Problem vor Augen.
REDE 
 
Ich möchte jetzt von meiner und unserer Erfahrung als Gemeinschaft Sant’Egidio berichten. Eine bruchstückhafte Erfahrung, aber reell, die mir hilft, etwas Wahres zu sagen und nicht etwas Rhetorisches. Die Begegnung bzw. der Zusammenstoß mit der Krankheit erinnert an die Gesichter von Freunden, Geschwistern und oft an Frauen, Männer, Kinder oder alte Menschen, für die die Krankheit eine weitere Armut darstellt, zusätzlich zu der, die bereits ihr Leben geprägt hat. Bei den Armen hat die Krankheit tatsächlich eine zerstörerische Kraft, weil es keinen Schutz gibt und man der Ansteckung ausgesetzt. Es ist unmöglich oder schwierig, Behandlungen oder Pflege zu bekommen. Es gibt das Stigma, welches dem Entstehen der Krankheit vorausgeht, die Einsamkeit. Wenn die Krankheit ein gemeinsames Erbe ist, dann sind die Armen stärker als wir gezeichnet von der Kraft des Bösen. 
Die Begegnung bzw. der Zusammenstoß mit der Krankheit hat auch unser persönliches Leben berührt. Wir haben für die Heilung viele Freunde gekämpft, gebetet und gehofft. Wir haben den Hauch des Todes gespürt und den schmerzlichen Verlust von Brüdern und Schwestern. Wir haben eine tiefe Dankbarkeit empfunden für die vielen zusätzlichen Lebensjahre, die anderen geschenkt wurden. Wir haben gesehen, dass der eine sich erholt hat und der andere gestorben ist. Wir wissen, dass unser Leben kurz ist und wir glauben an den Ratschlag des Psalms: “Unsre Tage zu zählen, lehre uns! Dann gewinnen wir ein weises Herz.“ Wir sind nicht resigniert, nicht über uns, noch über die Ärmsten. Gott kann alles und die fleißige Liebe kann viele Leben bewahren. Diese fleißige Liebe braucht eine Quelle, aus der sie Entschlossenheit, Intelligenz und Empathie schöpfen kann.
 
Jede Gemeinschaft von Sant’Egidio trifft sich regelmäßig, um für die Kranken zu beten; in einem Gebet, das aus dem Hören auf das Wort, der Predigt, der Erinnerung an die Namen derer, die leiden, dem Anzünden von Kerzen der Hoffnung und der Auferstehung besteht. Die Basilika Santa Maria in Trastevere in Rom, aber auch jede Gemeinschaft in der Welt, nimmt so einen intensiven Wunsch nach Heilung auf und bringt ihn vor den Gott des Lebens, indem wir akzeptieren, dass der Glaube, auch wenn er klein ist, uns zu Bettlern der Hoffnung und Gottes heilender Kraft macht. Ebenso wird jeden Tag um 18.00 h in Sant’Egidio, dem ersten Haus der Gemeinschaft, eine Glocke geläutet. Das, was man gerade tut, wird unterbrochen und jeder sammelt sich in einem kurzen, stillen Gebet für die Kranken. Das gemeinsame und persönliche Gebet geht in die Tiefe und wird gestärkt durch das Licht der Schrift und die Erzählungen des Evangeliums, um im Sturm, die Hand Gottes zu entdecken. 
 
Ich möchte unterstreichen, wie sich das Gebet und die tätige Liebe gegenseitig nähren. Sie sind nie Gegensätze. Das Gebet bringt die Beständigkeit und Kreativität der Liebe hervor und stützt sie; sie gibt Orientierung, schafft Synergien, sie stützt uns im Kampf gegen den Tod, der uns ansonsten wanken lassen würde. Das wissenschaftliche Wissen, die Ressourcen –auch in ihrer Unzulänglichkeit – werden in den Dienst der Heilung und des Auflehnens gegen den Tod gestellt. In der langen Geschichte des Christentums nimmt man wahr, wie an den Worten Jesu Anstoß genommen wird, der den Glauben seiner Jünger in Frage stellt, der noch zu klein ist: es wären ihnen möglich, Berge zu versetzen, wenn sie es glauben würden. In der Begegnung mit dem epileptischen Jungen, von dem in zwei Evangelien berichtet wird, ist es Jesus, der heilt. Die Seinen, die ohnmächtig sind vor den Auswirkungen der Krankheit, erinnert er daran, dass Gebet und Fasten Wunder bewirken können. Ähnlich nimmt man Anstoß an Jesu Art zu heilen: es war einzigartig in der palästinensischen Welt, dass er einen Aussätzigen berührte und seine Unreinheit auf sich nahm. Die körperlichste und extremste Nähe und den Blick nach oben gerichtet, niemals getrennt vom Vertrauen in den Vater. Es gibt viele Beispiele in der Geschichte des Christentums, die einer dualistischen Vision widersprechen, aber auch einem rein vergeistigten Verständnis des Gebetes oder einem materialistischen der Liebe. Der Evangelist Lukas war selber Arzt und Jesus hat sich mit dem Arzt identifiziert, der “für die Kranken und nicht für die Gesunden” gekommen ist und auch “für die Sünder und nicht für die Gerechten”, damit erinnert er uns daran, dass der Mensch Heilung des Körpers und des Herzens braucht. Unsere Nähe zu ihm, drängt uns zu größeren Werken und zu einem nie gekannten Vertrauen, dass es erlaubt, zu glauben und zu arbeiten für das, was unmöglich schien. Zu glauben und zu lieben über die Grenzen dessen hinweg, was der Zeitgeist, die Macht des Bösen und die vorherrschende Resignation auferlegen. Ich denke an die enorme Herausforderung, der sich das Programm DREAM gestellt hat. Es ist entstanden, um sich der Krankheit AIDS auf dem afrikanischen Kontinent entgegen zu stellen. Es geht nicht nur darum, die antiretroviale Therapie möglich und zugänglich zu machen, sondern auch um Gesundheitserziehung, Ernährungsprogramme, fortschrittliche Diagnostik, Ausbildung des Personals, Bekämpfung der Malaria, der Tuberkulose, der opportunistischen Infektionen und vor allem der Mangelernährung. Die Frauen, die auch wegen der Krankheit ausgegrenzt und an den Rand gedrängt werden, stehen jetzt im Zentrum eines neuen Bewusstseins und für die Möglichkeit zu reagieren und ein neues Leben zu leben. Mit ihnen gilt das für die Männer, Dörfer und die Nachbarn. Die Kinder, die gesund geboren werden, werden nicht zu den Millionen von Waisen gehören, die auf der Straße leben müssen oder in Familien bestehend aus Großeltern und Kinder, ohne eine mittlere Generation. Gebet und Liebe können die gleiche Bestimmung teilen. Sie gehen einher mit der Kostenlosigkeit; für beide ist das Zuhören nötig, beide führen zu einem neuen Blick auf unser Gegenüber, auf uns selbst und sie öffnen unseren Blick auf Gott hin. 
 
Vor kurzem war ich sehr betroffen von den Überlegungen eines italienischen Dozenten der Bioethik, Prof. Paolo Cattorini, der verschiedene Studien über psychische Erkrankungen, das Gebet und die Begegnung mit dem Glauben veröffentlicht hat. Cattorini hat in seinem Buch I salmi della follia (die Psalmen der Verrücktheit) geschrieben: “Die psychische Erkrankung braucht neue Worte, um erzählt zu werden”.  Es handelt sich um eine kompetente und wissenschaftliche Lesart des psychischen Unbehagens, das menschlich und spirituell wird, wenn man es der Welt der Ängste, der Hoffnungen, der Schmerzen und der Bitten gegenüberstellt, die in diesem Teil der jüdisch-christlichen Schriften enthalten ist. “Der Kranke hat das Recht zu fordern, dass ein Verbündeter mit ihm in einer zersplitterten Welt wohnt. Er bittet um eine Hilfe, um sprechen zu können und das erzählen zu können, was ihm geschieht. Er bittet, um einen Psalmisten, der für ihn noch einmal den Text rezitiert, den Text der Brandmarkung und des Flehens”.  Das, was er über das psychische Unbehagen sagt, gilt glaube ich für alle Krankheiten und für alle, die körperlich und seelisch leiden. 
Oft bricht die Krankheit über einen hinein und das Leben bricht zusammen. Es ist wie eine Bedrohung für die Person und bevor man noch verstehen kann, ob es sich um eine Störung im Körper oder im Geist handelt, zerreißt oder blockiert es schon die ganze Person.  Wenn die Krankheiten auftreten, die den Körper verwunden und ich glaube, dies geschieht auf ähnliche Weise wie bei psychischen Erkrankungen, dann kommen ins uns unterschiedliche und widersprüchliche Stimmen hoch. Wie kann ich mich verteidigen? Ich bin schwach und laufe Gefahr der Krankheit zu erliegen …also flehe ich einen Befreier an …Jemand wird meinen Schrei hören und mich schützen und verteidigen. Ich weiß nicht wer, wann und wo, aber ich gebe meinen Wunsch nach Gerechtigkeit nicht auf. Gott wird die alte Ordnung wiederherstellen, die der Frevler zerstört hat. In den Psalmen, sind die Feinde Stimmen von außen, Angriffe gegen den Betenden, genauso wie die Krankheiten. Aber der Psalm sagt, dass die Frevler auch in uns sind. Es sind die wahren Feinde, die gefährlichsten. Viele Stimmen, die man jedoch hören oder Gott überlassen muss. Mit Cattorini, können wir erkennen, dass diese Stimmen manchmal innerlich sind und miteinander in Konflikt stehen. Das Gebet ist ein innerer Kampf, um den „guten“ Stimmen Würde zu geben; den Stimmen der Schwäche, die Fürsorge und Hoffnung einfordern. In der Tat, wer betet fasst wieder Mut in einem Gedanken der Hoffnung, dass er in der Lage sein wird, die Angst zu beherrschen, den Sturm in sich zu beruhigen, wieder ruhig schlafen zu können, die momentan schmerzlich konfliktreichen Gedanken aus der Anarchie zu erlösen…Es ist die Suche nach einem zärtlichen Gesicht, einem verständnisvollen Blick, der durch die Türen des Herzens eintritt und uns hilft, die guten von den schlechten Absichten zu unterscheiden.  Wer betet, wie der Beter, der Psalmist in der Bibel, erzieht die innere Persönlichkeit des eigenen Verstandes und beruhigt die Stimmen, die am meisten erschrecken …Er bittet Gott zu handeln und ihn zu verwandeln, aber nach einer gewissen Zeit, mit einem bestimmten Rhythmus, indem man die Dinge zur Reife kommen lässt und den zu strengen Blick milder stimmt. 
Wer hat im Gebet nicht schon die Erfahrung des Schweigens Gottes gemacht, oder seiner Distanz? Die Wahrnehmung, dass er fern ist, setzt uns der Gewalt der Wut und der Verzweiflung aus; und wir fühlen uns wie belagerte Krieger. Wenn sich diese Wahrnehmung jedoch in Flehen verwandelt, verwandelt man sich vom belagerten Krieger, zu einem schwachen Mann und einer schwachen Frau, die wissen, dass sie schwach sind und protestieren, wie ein Stotterer, der hofft, dass sich das erfüllt, was er glaubt. Dennoch, während wir unsere Augen auf die Suche nach der Allmacht Gottes richten, sucht er selbst nach Antwort in uns, wie der Wunsch nach einem Bund, wie ein glückliches Lied über das Zusammensein. Paolo Cattorini schreibt: “Die wahre Macht, die ein Mensch erhalten kann, ist nicht die des bewaffneten Rächers, sondern die einer elementaren Bitte, die wahr ist, wie die der Kinder; so essentiell, dass sie noch nicht einmal deutliche Worte hat, um um Hilfe zu bitten” . 
Vor wenigen Tagen, kam ein kleines Mädchen von 8 Jahren zusammen mit ihrer mutigen und gläubigen Mutter nach Santa Maria in Trastevere zu unserem Abendgebet für die Kranken. Seit sie zwei Monate alt ist, wurden bei der Kleinen vier lebenswichtige Organe transplantiert und sie lebt in ständiger Gefahr. Immungeschwächt durch die Medikamente, die das Abstoßen der Organe verhindern, ist sie ausgehungert nach Zuneigung, Leben, Beziehungen, die selten sind, weil es die Gefahr gibt, durch Krankheiten angesteckt zu werden, die harmlos für die anderen sind, aber tödlich für sie. Neben der Maske, die ihr Lächeln verdeckt, sprechen ihre Augen. Sie hält ein kleines Plüschtier in den Armen und sie sagt zu ihm das, was sie nicht über sich sagen kann: “Mein Hündchen hat viel gelitten als er klein war …er sagt, dass euer Herz vor Liebe überfließt. Er ist glücklich, bei euch zu sein …”. Die Mutter kämpft, wie eine zärtliche Löwin mit ihr und für sie. 
Das Gebet in der Krankheit ist oft das Ansinnen an Gott, er möge wie ein energischer und starker Vater die Waffen des Feindes zerbrechen und wie eine Mutter, uns mit einer zärtlichen Umarmung umschlingen. Aber das Gebet öffnet uns auch für mehr, als wir gebeten haben (das eine Krankheitserscheinung von uns genommen wird, zu dem ursprünglichen Gesundheitszustand zurückzukehren): das Gebet öffnet uns für die Suche und das Angebot eines Bundes. Im Flehen, während wir Gott bitten, zu unserer Verteidigung zu kommen, wird auch der Bittende verwandelt. Der Bund mit Gott steckt uns mit seiner Empathie an. Die kleine Achtjährige betete vor einigen Tagen für die anderen kleinen Freunde. Sie bat nicht nur für sich. Der Anspruch der Krankheit, die Bindungen zu kappen, die Welt auf mein leidendes Ich zu reduzieren, besiegt diese Kleine nicht und auch uns nicht, wenn wir uns als demütige Gläubige von der Antwort und der Umarmung Gottes verwandeln lassen, von der Liebe zu den anderen verführen lassen, auch in den Schwierigkeiten. Diese Umarmung, dieser Bund erinnert uns immer an den Wert und den Sinn des Lebens. Ich habe gesehen, und jeder von uns kann sich an Frauen und Männer erinnern, die, obwohl sie schwer krank waren, ihren “inneren Menschen” haben wachsen sehen – so definiert Paulus die Seele, die Gedanken, das Herz. Und dies geschieht, während der Körper selbst schwächer wird. 
Aber man muss üben, zu geben und um Hilfe zu bitten. Die Heilung bezieht immer unser ganzes Menschsein mit ein. Es ist die zusätzliche Zeit, die uns geschenkt wird, um noch das Geheimnis zu leben, das heißt im Kampf die Erfahrung zu machen, dass es in der Schwäche eine neue Kraft gibt. Es heißt, die Versuchung zu bezwingen, die Krankheit mit Kraft zu überwinden, weil wir Angst haben vor der Schwäche, die als abstoßend empfunden wird. Nicht die ewige und nichtige Selbständigkeit/Unabhängigkeit, sondern zusätzliche Tage, um zu lieben, zu glauben, zu lindern, Sinn zu finden und zu geben.
 
Die christliche Weisheit und die Weisheit der Kirchenväter hat immer aufmerksam auf das Leiden geschaut; den Ort, wo sich die Wahrheit unseres Lebens und die Wahrheit Gottes enthüllen. Jean Claude Larchet hat viel über die Zusammenhänge zwischen Gesundheit, Krankheit und Heilung geschrieben besonders in der christlichen Orthodoxie. Er hinterlässt uns pointierte und durchdachte Schriften wie die „Theologie der Krankheit“, „Therapie der spirituellen Krankheiten“ und andere. Eine von ihnen trägt den bedeutungsvollen Titel “Gott will das Leiden der Menschen nicht”, wobei er sich einer sehr starken Aussage des Heiligen Isaak von Syrien bedient. Mir scheint, dass man das Leiden an sich, nie segnen kann. Das Leiden ist eine große Prüfung. Es ist ein Stolperstein so wie der ungerechte Tod der Unschuldigen. Die griechischen Väter haben unterstrichten, dass Gott das Leiden nicht geschaffen hat und wie das Christentum der Weg des Heils ist und nicht des Schmerzes. Der Heilige Basilius sagt: “Gott hat den Körper geschaffen, nicht die Krankheit”. Für diese Christen ist es die Trennung des Menschen von Gott infolge der Erbsünde, die das Böse in das Leben der Menschen gebracht hat. Seine Unabhängigkeit von Gott ist das Prinzip der kranken Liebe für sich, die Maximus Confessor philautia nannte: eine leidenschaftliche und gescheiterte Liebe für sich selbst, Mutter alle gescheiterten Leidenschaften, die neues Leiden hervorbringen. Ein tragischer und tyrannischer Kult von sich selbst. Eine Tyrannei, die das Gegenteil der Freiheit des Menschen ist, der in der Liebe Gottes lebt. 
Nach all dem, was gesagt wurde, scheint es, als ob das Leiden voller bohrender Fragen ist, auf die eine berechnende Logik nie Antworten geben kann. Man kann das Leiden nicht rechtfertigen, indem man ihm auf moralistische Art begegnet, pseudoreligiös, äußerlich und distanziert von dem, der leidet, so dass man sogar sagt, dass die Krankheit eine Buße für die Sünden sei. Ijob war gerecht, er war fromm, dem Gott Israels treu. Er hatte nichts Böses getan. Sein Protest und seine Angst sind aktuell und lebendig; sie erschüttern zu jeder Zeit, den der betroffen ist: “Warum ich? Warum erlaubt Gott das Böse?“ Im Westen hat Gregor der Große, Bischof von Rom, der selbst krank war, einen langen Kommentar zum Buch Ijob geschrieben, die Moralia. Gregor hat sie geschrieben, verbunden mit seinem Volk und selbst von einer schweren Krankheit betroffen, wahrscheinlich ein Tumor im Bauch, der ihn gezeichnet hat, ohne seine Sorge für die anderen zu beseitigen. Es steigerte seine Empathie für die Männer und Frauen, zu denen er predigte. Zusammen mit tiefen Feststellungen über die Sinnlosigkeit und die Unfähigkeit der falschen Freunde Ijobs, ihn zu trösten und über die Gerechtigkeit dieses Mannes, der selbst vom Neid des Teufels betroffen war, und über seinen Glauben, gibt es auch einen Abschnitt über das Vertrauen Gottes in seinen Knecht: “Es ist offensichtlich, dass es nicht der Teufel war, der als erster Ijob von Gott forderte, sondern es war der Herr, der das Loblied über Ijob sang, trotz des Teufels; und Gott hätte sicher nicht auf ihn gewettet, wenn er sich nicht seiner Standhaftigkeit gewiss gewesen wäre.” Wir sind vielleicht keine Gerechten wie Ijob und dennoch können wir in der Krankheit zwischen Gebet und Heilung, zwischen Schmerz und Hoffnung, die Treue Gottes spüren. Er glaubt, dass er in jeden Mann, jeder Frau, jedem Kind oder alten Menschen, einen Samen der Liebe für das Leben, der Liebe für ihn gelegt hat. Diese Same kann in der Zeit der Prüfung das retten und erneuern, was das Böse verderben will: den Sinn des Lebens, der immer seine Fülle in der Liebe, im Bund mit ihm, in der Liebe zwischen uns findet. Die Heilung ist immer das Bündnis. Danke